Elisabeth Seitz an ihrem Lieblingsgerät, dem Stufenbarren. Foto: Baumann

Das deutsche Turnteam steht bisher noch ohne Medaille da bei der Heim-Weltmeisterschaft in der Stuttgarter Schleyerhalle. Das könnte sich in den Gerätefinals zum Abschluss der Titelkämpfe noch ändern. Drei Chancen gibt es.

Stuttgart - Elisabeth Seitz, das sagte sie selbst, hätte nach ihrem famosen Mehrkampffinale mit dem überraschenden Sprung auf Platz sechs am Donnerstag am liebsten gleich weitergemacht. Die Stuttgarterin war emotional aufgeladen und hatte die ausgelassene Stimmung in der Schleyerhalle noch in sich aufgesaugt, da sagte Seitz mit Blick auf ihr Stufenbarrenfinale: „Wenn ich könnte, dann würde ich gleich wieder reingehen und weiterturnen.“

Seitz ging dann aber doch zurück ins Teamhotel, sie fuhr emotional runter– um an diesem Samstag gerüstet zu sein. Wie zwei andere deutsche Teamkollegen am letzten WM-Wochenende peilt sie in den jeweiligen Einzelfinals eine Medaille an, wenn alles ideal läuft.

Elisabeth Seitz (25)

Sich wegducken, das ist eh nicht das Ding der Turnerin des MTV Stuttgart, die sich selbst gerne als Rampensau bezeichnet. Also sagte Seitz vor dem Finale an ihrem Paradegerät, dem Stufenbarren, an diesem Samstag (16 Uhr): „Ich brauche mich nicht zu verstecken.“ Damit meinte sie ihre eigene Leistung im Vergleich zur Konkurrenz – und auch ihre Ambitionen auf eine Medaille. Schon bei den Titelkämpfen 2018 in Doha holte sie am Barren Bronze, jetzt soll die nächste Medaille her. Seitz will im Finale wieder ihre höchst schwierige Verbindung zwischen den Holmen zeigen, die sie am Donnerstag beim Mehrkampf einbaute und ihre Übung weiter aufwertet.

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Auch emotional geht Seitz aufgewertet ins hochkarätig besetzte Finale. Dass sie gerne mit dem Publikum spielt und Kraft aus den Emotionen von den Rängen zieht, war schon vorher bekannt – jetzt potenziert sich das nochmals bei der Heim-WM: „Ich will es dem Publikum hier präsentieren, was ich kann, das ist für mich ein großer Antrieb – nach dem Motto: ‚Hey, guckt, so viel Arbeit hab ich reingesteckt in meine Übungen.’“

Sarah Voss (19)

Die deutsche Mehrkampfmeisterin aus Köln ist der Gegenentwurf zu Elisabeth Seitz, dem emotionalen Bauchmenschen. Die BWL-Studentin Voss, die an diesem Sonntag im Schwebebalken-Finale (13 Uhr) steht, geht rationaler an ihre Wettkämpfe heran – auch bei der Heim-WM. Bei sich bleiben, sich stets auf die nächste Übung konzentrieren: Sarah Voss zieht Kraft aus der inneren Ruhe. Oder, wie sie es selbst sagt: „Wenn hier in der Halle mein Name geschrien wird, dann bekomme ich das natürlich mit, aber ich versuche mich dann wieder auf mich zu besinnen und nicht auf den Lärm.“

Voss nutzt im Wettkampf die bewusste, ruhige Atmung, um bei sich zu bleiben – und im Alltag viel Vorstellungskraft, um bei ihren Übungen voranzukommen. Mehrmals am Tag geht sie ihre Elemente im Kopf komplett durch, oft geplant, manchmal spontan, an allen mögliche Orten. Sich diese innere Ruhe und die Konzentrationsfähigkeit anzueignen, sei ein langer Prozess gewesen, sagt Sarah Voss: „Das ist genauso, wie wenn man ein turnerisches Element einstudiert.“

Wer nun aber glaubt, dass die gebürtige Hessin den ganzen Tag nur ans Turnen und ihre innere Ruhe denkt, der täuscht sich gewaltig. Die Bundestrainerin Ulla Koch bezeichnet sie gerne als Frohnatur, Voss selbst sagt dazu, dass sie, wenn es nicht gerade ernst wird auf dem Turn-Parkett, gerne mal einen Spruch loslässt, um die Gruppe aufzulockern. Nun ist sie am Balken als Einzelkämpferin gefordert. Und hat nach einem starken Quali-Wettkampf Medaillenchancen an diesem traditionell unberechenbaren Gerät.

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Lukas Dauser (26)

Der Unterhachinger mag es gerne ordentlich. Und auf den Punkt. An seinem Lieblingsgerät, dem Barren. Und wenn es darum geht, nach einer tückischen Verletzung rechtzeitig zur Heim-WM fit zu werden. Vor vier Monaten brach er sich den Ringfinger der rechten Hand, vor drei Wochen zog er sich obendrein noch einen Riss im hinteren Innenband des linken Fußes zu – egal. Denn Dauser hat die Punktlandung zur WM hingelegt, was er selbst noch immer kaum fassen kann.

Noch besser wurde alles bei seiner starken Barren-Übung in der Qualifikation. Nur am Abgang gab es einen Wackler – ansonsten machte Dauser das, was er am liebsten tut: Sauber turnen. Der Ordnungsliebhaber an den Geräten katapultierte sich auf Platz eins in der Quali. Wenn er nun im Finale an diesem Sonntag (13 Uhr) den Abgang sauber steht, ist eine Medaille drin. „Ich war überrascht, dass ich die Übung so genau treffe“, sagte er nach der Qualifikation. Im Finale will er nun den ultimativen Volltreffer landen.