Hat bei der WM Großes vor: Turner Helge Liebrich. Foto: Baumann

Der Gingener Helge Liebrich vertritt bei der Turn-Weltmeisterschaft Marcel Nguyen im deutschen Team – und hat Großes vor.

Nanning/Stuttgart - Jeder Leistungssportler kennt sein Geschäft. Wenn der eine verletzt ist, rückt der nächste ins Team nach. Er versucht den Kollegen irgendwie zu ersetzen, und weiter geht’s, so einfach und so eiskalt läuft das ab. Bei den beiden Turnern Marcel Nguyen (Stuttgart) und Helge Liebrich (Gingen an der Fils) war es während der Vorbereitung auf die WM nicht anders. Nguyen zog sich im Trainingslager in Kienbaum einen Kreuzbandriss zu, Liebrich wurde für die Titelkämpfe im südchinesischen Nanning (3. bis 12. Oktober) als Ersatz nominiert – und sagt nun: „Da ist für mich ein ganz bitterer Beigeschmack dabei.“

Nein, nüchtern und unterkühlt kann Helge Liebrich (26) die WM nicht angehen. „Ich freue mich, dabei zu sein“, sagt er, „das ist eine tolle Sache.“ Einerseits – andererseits ist die Bande zu Marcel Nguyen eng. Liebrich leidet mit dem Star. Er trainiert mit Nguyen im Stuttgarter Kunstturn-Forum, und er schätzt seinen Kollegen sehr – auch, weil er neben Fabian Hambüchen das Zugpferd des deutschen Teams bei der WM gewesen wäre. „Marcels Ausfall ist ein herber Verlust für uns“, sagt Ersatzmann Liebrich und ergänzt: „Große Tipps von ihm habe ich mir nicht geholt – entweder ich kenne sie schon alle, oder ich kann sie im Gegensatz zu ihm eh nicht umsetzen.“

Keine Frage: Helge Liebrich kann seine Fähigkeiten wunderbar entspannt einschätzen, was ihn allerdings nicht daran hindert, große Ziele für den Mannschaftswettkampf zu formulieren. „Wir wollen ins Finale der besten acht Teams kommen“, sagt er, „die USA, Russland, Großbritannien, Japan und China werden wahrscheinlich vorneweg marschieren, dahinter ist für uns alles drin.“

Liebrich wird bei diesem Vorhaben eine Hauptrolle einnehmen – im Gegensatz zu vergangenen Großveranstaltungen. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking etwa war er bereits als Ersatzmann dabei, bei einigen Welt- und Europameisterschaften ebenfalls. Nun drängt der Gingener ins Rampenlicht. Und das mit ordentlich Rückenwind.

Völlig überraschend wurde Helge Liebrich im vergangenen Jahr mit dem TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau deutscher Mannschaftsmeister, obendrein wurde er bei der deutschen Meisterschaften in diesem Jahr Zweiter im Sprung. Liebrich ist gut in Form, vor allem am Reck will er bei der WM Furore machen. „Da bin ich momentan am stärksten“, sagt der Lehramtsstudent.

Topstar Fabian Hambüchen ordnet seine Fähigkeiten ähnlich ein, auch der Wetzlarer will an seinem Paradegerät überzeugen, und das sowohl mit dem Team als auch im Einzelwettbewerb, wo er am Reck aufs Siegertreppchen will. „Fabian sticht bei uns heraus“, sagt Helge Liebrich, „aber das Schöne ist, dass er ein Teamplayer ist und sich voll bei uns integriert.“ Der einzige deutsche Medaillenkandidat Hambüchen selbst sieht seine Rolle so: „Ich fühle mich nicht als Leitwolf, aber bei Fragen helfe ich gern.“

Weil neben Marcel Nguyen auch Sebastian Krimmer (Zysten in beiden Schultern) verletzt ausfällt, fokussiert sich das mediale Interesse im deutschen Team fast ausschließlich auf Fabian Hambüchen – und der gibt dann auch die ultimative Marschroute für den Team-Wettbewerb aus. „Diese WM wäre für mich ein Erfolg, wenn wir auch ohne den verletzten Marcel Nguyen das Team-Finale der besten acht erreichen“, sagt er, „aber das wichtigste ist, dass wir unter die besten 24 kommen, damit wir bei der WM 2015 in Glasgow die direkte Olympia-Qualifikation angreifen können.“