Hat bei der WM Großes vor: Sebastian Krimmer vom MTV Stuttgart. Foto: Baumann

Das Ziel ist klar: Bei der WM in Glasgow soll für die deutschen Turner im Team-Wettbewerb mindestens Platz acht her. Der berechtigt zur Olympia-Teilnahme – wird aber aufgrund vieler Fragezeichen in der Mannschaft verdammt schwer zu erreichen sein.

Stuttgart/Glasgow - Sebastian Krimmer (25) hat in seiner Karriere schon einiges erlebt – eine WM unter solchen Umständen ist dem Bundesligaturner des MTV Stuttgart aber noch nicht untergekommen. „Es liegt ein steiniger Weg vor uns“, sagt Krimmer vor dem Großereignis in Glasgow, das an diesem Freitag beginnt – und bei dem für die deutschen Männer schon am Sonntag der Höhepunkt steigt. Der Teamwettbewerb steht an, und das Ziel der deutschen Riege ist klar: Mindestens Platz acht muss her, um das Ticket für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro direkt zu lösen. Das ist eigentlich ein realistisches Vorhaben – wären da nicht die Vorzeichen, die die Mannschaft belasten.

Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen, dass ein Haufen angeschlagener Turner, von denen keiner so recht weiß,wie es um die eigene Form bestellt ist, an den Start geht. Fabian Hambüchen (27) spricht scherzhaft von einer „Invalidentruppe“. Krimmer meint vor der heiklen Mission immerhin, „dass wir unter den schwierigen Umständen eng zusammengerückt sind und wir es allen beweisen wollen, was wir draufhaben“.

Zusammenhalt und Ehrgeiz wird es auch brauchen, um die Olympia-Qualifikation zu schaffen. Denn ein Auszug der Krankenakte des deutschen Teams verspricht erst einmal nichts Gutes. Sebastian Krimmer etwa zog sich im August erst einen Riss der Bizepssehne am rechten Arm zu, Anfang Oktober kam noch ein Innenbandriss anriss im linken Fuß dazu. In den vergangenen Wochen biss er auf die Zähne, ertrug die Schmerzen – und gab trotz aller Widrigkeiten grünes Licht für Glasgow. Mit seinem unbändigen Willen und dem großen Kämpferherz ist Krimmer so etwas ein Sinnbild für die deutsche Mannschaft, die in den Wochen vor der WM eher einem Lazarett glich.

Bretschneider, Nguyen und Krimmer sind einsatzbereit

Marcel Nguyen (28) war nach seinem Kreuzbandriss gerade wieder auf dem aufsteigenden Ast, dann fing er sich zwei Bänderdehnungen am Finger ein. Andreas Bretschneider (26) zog sich im März einen Achillessehnenrisses zu – und steht jetzt in Glasgow schon wieder auf der Matte. „Jetzt müssen wir zeigen, dass wir Männer sind“, sagt Bretschneider. Und Krimmer ergänzt: „Für den Traum von der Olympia-Teilnahme nimmt man das alles auf sich.“

Immerhin: Die ersten Trainingseinheiten in Glasgow verliefen vielversprechend, Bretschneider, Nguyen und Krimmer sind einsatzbereit – dennoch weiß keiner im deutschen Lager, wozu die angeschlagene Truppe wirklich fähig ist. Die Turn-Großmächte USA, Russland, Japan und China werden den WM-Titel wohl hinter sich ausmachen. „Dahinter“, sagt Fabian Hambüchen, der wie Sebastian Krimmer für den MTV Stuttgart turnt, „wird es ein harter und enger Kampf um die Plätze fünf bis acht.“

Nguyen wird am Barren auf seinen spektakulären Tsukahara-Abgang verzichten, Bretschneider wird seinen „Bretschneider“ – den von ihm kreierten Doppelsalto mit zwei Schrauben am Reck – nicht turnen. „Das Ding ist nicht stabil genug. Deshalb werde ich kein Risiko eingehen“, sagt er. Im Teamwettbewerb wollen beide dennoch zum Höhenflug ansetzen und den Widrigkeiten trotzen. Und das aus gutem Grund.

Krimmer ist der Vorturner

Sollten die Deutschen in Glasgow Platz acht verpassen, müssen sie im März nach Rio de Janeiro reisen, wo ein Olympia-Qualifikationsturnier stattfindet. Das will keiner der Athleten, denn in diesem Fall würde rund um Weihnachten die Vorbereitung beginnen – und vor den Olympischen Spielen in Rio im Sommer würde eine fest eingeplante Erholungsphase im Frühjahr wegfallen. „Wir wollen das jetzt hier in Glasgow unbedingt durchziehen“, betont Sebastian Krimmer mit Nachdruck. Klar ist: Platz acht am Sonntag wäre für die deutsche Mannschaft ein gefühlter WM-Titel – und Sebastian Krimmer hat bei dieser Mission eine klare Rolle inne.

Der MTV-Mann wird wie gewohnt am deutschen Problemgerät, dem Pauschenpferd, zum Einsatz kommen – obendrein darf er dieses Mal auch an Barren, Reck und beim Sprung ran. Krimmer wird dann jeweils als erster deutscher Starter an die Geräte gehen. Er ist so etwas wie der Vorturner für den Rest der Truppe. „Ich will zeigen, dass die Jungs sich absolut auf mich verlassen können“, sagt er, „ich will der ruhende Pol sein und den Jungs mit meinen Übungen Sicherheit geben.“