Skigymnastik macht nicht nur Skifahrer fit. Foto: Sägesser

Was ist eigentlich Skigymnastik? Ein Selbstversuch führt zum TSV Heumaden. Ein Abend mit interessanten Erkenntnissen.

Heumaden - Ich muss beobachtet worden sein. Denn nachdem die Hallenglocke scheppernd das Ende verkündet hat, prasseln die anerkennenden Worte meiner Sportskollegen auf mich ein. „Sie haben aber eine gute Figur gemacht“, sagt einer. „Man sieht, dass Sie Sport machen“, ein anderer. Was sie nicht sagen! Dabei hatte ich bis vor anderthalb Stunden noch keine Ahnung, worauf ich mich hier einlasse. Gut, ich würde zur Skigymnastik gehen. Doch beim Grübeln, was das eigentlich ist, hat mich meine Fantasie auf die falsche Loipe gelenkt.

Skigymnastik war für mich bisher ein Überbleibsel aus den 80ern. Vor meinem inneren Auge wedelten Trainingsbeanzugte auf unsichtbaren Skiern, Kniebeugen gehörten dazu wie die poppige Discomusik, da wurden Hallenböden zu Pisten. Vielleicht war es wirklich mal so.

Die weichen Matten sind fies

Doch im Jahr 2013 ist Skigymnastik beim TSV Heumaden Fitness statt Folklore. Skigymnastik stählt Skifahrer, aber eben nicht nur sie. An den Montagabenden in der Turnhalle der Birken-Realschule geht es um Bauch, Beine, Po, es geht um Ausdauer und ums Kalorienverbrennen. Und ums gute Gefühl danach.

Die weichen, blauen Matten sind fies. Beate Gaiser, die wir nur Beate nennen, sagt, wir sollen vorsichtig sein. „Wir hatten bei dieser Übung ja letztes Mal die Stürze. Also, der ganze Fuß geht auf die Matte.“ In der Turnhalle der Birken-Realschule liegen vier Weichmatten. In Grüppchen stehen wir drum herum wie um Teiche.

Im Takt mit der Musik sollen wir vom Boden aus erst mit dem linken, dann mit dem rechten Fuß auf die Matte hüpfen. Es fühlt sich ein bisschen an, als würde ich im Tiefschnee auf einen Berg stapfen – und ist nach einer Minute mindestens so anstrengend.

Irgendwann verfalle ich in Trance

Zur Abwechslung rennen wir zwischendurch im Kreis durch die Halle, vorwärts und rückwärts. „Jeder so schnell, wie er möchte“, ruft Beate aus der Mitte. Später laufen wir erst eine Minute am Stück, dann zwei, dann drei. Die Musik ist die Stoppuhr, wenn sie leiser wird, heißt das Verschnaufpause.

Die letzten drei Minuten kommen mir endlos vor. Irgendwann, als ich gerade in Trance verfalle, haben wir es geschafft, nach einer halben Stunde Tempo legen wir uns auf die Gymnastikmatten. Zufrieden schnauft es aus allen Ecken.

Die nächste Einheit dauert zwölf Minuten, zwölf Minuten für den Bauch. Und wieder portioniert die Musik unsere Übungen. „Schon ist eine Minute rum“, sagt Beate, „ich find’, das geht schnell“. Bei ihr sieht alles ganz leicht aus. Ich fühle nur noch meinen Bauch. Alle Muskeln, ob schräg, gerade oder sonst was, beweisen mir gleichzeitig, dass es sie gibt. Was ich noch nicht wissen kann: Dieses multiple Ziehen sollte mir ein paar Tage treu bleiben.

Skifahren ist nicht die Voraussetzung

Von den knapp 30 Leuten, die an jenem Abend mit mir ins Schwitzen kommen, fahren nicht alle Ski. Elke von Campe zum Beispiel hat ihre Bretter vergangenes Jahr endgültig eingemottet. Sie ist jetzt 73 und sagt, dass sei ein gutes Alter zum Aufhören. Aber nicht mit der Skigymnastik, die gefällt ihr viel zu sehr. „Die Trainerin spult nicht immer dasselbe Programm ab“, sagt sie. „Und die Übungen stärken alle Muskeln.“

Das tut ihr gut. Deshalb fährt Elke von Campe immer wieder montags von Sonnenberg nach Heumaden. Seit mehr als 30 Jahren. So lange gehört sie zur Skiabteilung des Sportvereins. Bei der Skigymnastik sieht sie Vereinskollegen, von denen viele längst Freunde geworden sind. Wenn in der Sporthalle die Lampen ausgegangen sind, sitzt Elke von Campe meistens mit den anderen am Stammtisch in der Linde. Respekt, denn mir ist, als die Glocke scheppert, eher nach Duschen und Beinehochlegen zumute. Das Lob der anderen gibt mir Kraft für den Weg zum Auto.