Stuttgarts OB Fritz Kuhn setzt in der Stadtentwicklung auf Kulturbauten Foto: Lichtgut

Stuttgarts OB Fritz Kuhn hat jüngst sein kulturpolitisches (Bau)Programm der nächsten Jahre vorgestellt. Mit Theaterhaus-Erweiterung, Wagenhallen-Sanierung, Lindenmuseum-Neubau auf Stuttgart-21-Areal und Interims-Oper im Schlossgarten rückt sich Kuhn in die Rolle des Zukunftsstadtplaners.

Stuttgart - Der Duden bezeichnet einen Coup als „kühn angelegtes, erfolgreiches Unternehmen“. Entsprechend dieser Definition ist Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) ein gutes Stück von einem Coup entfernt. Oder doch nicht? Furore macht Kuhns Vorstoß, während der dringend notwendigen Generalsanierung des Opernhauses Stuttgart einen Interims-Standort in unmittelbarer Nachbarschaft des Mercedes-Museums am Rand des Neckarparks in Betracht zu ziehen, auf jeden Fall.

 

Dieter Zetsche bietet Daimler-Areal für Ausweichoper an

Offiziell wird Kuhn diesen Vorschlag an diesem Montag unterbreiten – in der Sitzung des Verwaltungsrates der Staatstheater Stuttgart. Das kann die Beteiligten verärgern – der OB aber bringt gehöriges Verhandlungsgewicht mit: Für Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche hätte eine Hochkulturarena zwischen Mercedes-Museum und der Fußballbühne Mercedes-Benz-Arena einigen Charme. Charme, der viel Geld wert sein kann.

Einmal in Fahrt, verkündete Stuttgarts OB vergangene Woche in unserer Zeitung gleich noch weitere Projekte: Ausbau des Theaterhauses am Pragsattel, Sanierung der Wagenhallen am Nordbahnhof, vor allem aber einen Neubau des Linden-Museums auf dem an den Bonatzbau angrenzenden Entwicklungsareal des Verkehrs- und Infrastrukturprojektes Stuttgart 21. Und – fast schon nebenbei – als Alternative zum Standort am Mercedes-Museum einen Theaterbau für Oper und Ballett am Planetarium.

Kulturbauten als Ankerpunkte der Stadtentwicklung

Nein, der OB heißt nicht Wolfgang Schuster, und auch das Wort „Frequenzbringer“ vermeidet Fritz Kuhn sorgfältig. In der Sache aber wandelt Kuhn mit seinen nun verkündeten Kulturprojekten ganz auf Schusters Spuren. Kultur als Türöffner, Magnet und Drehscheibe in noch undefinierten Stadträumen – das war Schusters, das ist Kuhns Motivation.

Zurück in der Gestaltungsoffensive für S-21-Areal

Zurück in der Gestaltungsoffensive für S-21-Areal

Mehr noch aber: Oper und Ballett (in frühestens fünf Jahren und für dann geschätzte fünf Jahre) auf Bundesflächen am Planetarium und das Linden-Museum nach Stadtbibliothek-Vorbild als Fixpunkt auf dem Stadtentwicklungsgebiet auf dem heutigen Gleisfeld – das bringt Fritz Kuhn zurück in die Gestaltungs-Offensive für die Stuttgart-21-Flächen. Ein später gar als Konzerthaus nutzbares Ausweich-Opernhaus am Landespavillon? Ein Linden-Museum als Museum der Kulturen in Sichtweite? Dagegen kann niemand sein. Die Botschaft ist erfolgreich verschickt: Dieser OB macht jetzt Tempo in der weiteren Stadtentwicklung.

Mit einem einzigen Satz hat Stuttgarts OB eine Flächen-Weiterentwicklung des Staatstheaterareals vom Tisch gefegt. „Einen Abriss dieser Traditionsstätte kann man nicht ernsthaft diskutieren“, sagte Kuhn unserer Zeitung mit Blick auf eine im Hintergrund diskutierte Einbindung des Königin-Katharina-Stifts. Ist aber eine Verlegung der Schule – ungeachtet der Frage des Baukörpers – wirklich kein Thema? Denkverbote sind selten hilfreich. Und geht es nicht darum, eines der größten Dreispartenhäuser der Welt für die nächsten 100 Jahre zukunftsfähig zu machen – als Forum der Künste über die Vorstellungen im Opernhaus und Schauspielhaus hinaus?

Kultur als harter Standortfaktor

Stuttgarts OB nennt Kulturprojekte und meint Stadtentwicklung, auch und gerade auf den S-21-Flächen. Kein Grund für die Kultur, sich benutzt zu fühlen. Im Gegenteil: Fritz Kuhns Offensive und Dieter Zetsches Offenheit belegen das auch wirtschaftlich harte Interesse an Kultur in der Metropolregion Stuttgart. Entsprechend selbstbewusst kann man in die weiteren Verhandlungen gehen.

nikolai.forstbauer@stuttgarter-nachrichten.de