Auf dem Pragsattel gibt es für die Bundesstraße 10 bereits einen Autotunnel über der Stadtbahntrasse – jetzt soll der Ausbau der B 10 unter dem Rosensteinpark vollendet werden. Foto: dpa

Am 200 Millionen Euro teuren Rosensteintunnel scheiden sich die Geister. Gegen das Projekt sind bei der Stadt 1645 Einsprüche eingegangen. Dennoch wollen die Stadtverwaltung und eine Gemeinderatsmehrheit die Röhren für die B 10 bauen.

Stuttgart - Zwei pralle Aktenordner sind ein untrügliches Zeichen: Der Bau des Rosensteintunnels für die Bundesstraße 10, der rund 200 Millionen Euro kosten wird, ist ziemlich komplex und ungewöhnlich umstritten. 1645 Einsprüche gingen ein gegen den Entwurf des Bebauungsplans, der die Arbeiten für die Röhren unter dem Rosensteinpark und der Wilhelma sowie die Anpassung von Leuze- und Schwanentunnel ermöglichen soll. Am Dienstag dieser Woche kapitulierte der Umwelt- und Technik-Ausschuss des Gemeinderats erst einmal. Damit sie sich durch die umfangreichen Unterlagen wühlen können, vertagten die Fraktionen die Beratung. Sie werden nun erstmals am 16. Oktober über den Entwurf diskutieren. Beim Termin für den Satzungsbeschluss, der den Bebauungsplan zur Realität macht, soll es aber bleiben: am 25. Oktober im Gemeinderat.

Das ist vier Tage nach dem mutmaßlichen zweiten Wahlgang bei der OB-Wahl und nach einem Wahlkampf, in dem der Rosensteintunnel eine Rolle spielte. Der Kandidat Hannes Rockenbauch (SÖS) hat den Bau zuletzt am Mittwoch auf dem Schillerplatz rundweg abgelehnt und sich dafür ausgesprochen, die rund 80 Millionen Euro städtische Beteiligung zu sparen. Fritz Kuhn von den Grünen, der nach einer Umfrage von Infratest-Dimap zurzeit im Rennen um den OB-Sessel in Führung liegen dürfte, hat auch mehrfach erklärt, er wolle über das Projekt noch einmal reden, weil es rund 30.000 zusätzliche Autos pro Tag anziehe.

Kritik: Im Bereich Zuffenhausen werden rund 28.000 zusätzliche Autos pro Tag verkehren

Bringt das die Pläne vielleicht doch noch ins Wanken? „Wir werden auf die Unstimmigkeiten in der Planung noch einmal hinweisen und das Projekt zu verhindern versuchen“, sagte Peter Pätzold, Vorsitzender der Grünen-Fraktion. Er gesteht aber auch : „Hoffnung habe ich nicht.“ Denn im Gemeinderat steht die Mehrheit für das Projekt aus CDU, FDP, Freien Wählern und SPD wahrscheinlich nach wie vor – wobei die SPD ihre Zustimmung immer von Begleitmaßnahmen im Umfeld des Tunnels abhängig machte, die Wohngebiete von Verkehr entlasten sollen. Die Grünen verweisen darauf, dass die Stadt zur Umsetzung des Projekts für 3,9 Millionen Euro eigens sechs Gebäude aufkaufen und die Belüftungssituation am Tunnelportal beim Löwentor verbessern müsse, um die Situation beim Stickstoffdioxid beherrschen zu können. Bürgerinitiativen wie die Schutzgemeinschaft Krailenshalde halten die bisherige Bürgerbeteiligung für eine Farce und beanstanden, dass im Bereich Zuffenhausen rund 28.000 zusätzliche Autos pro Tag verkehren werden, weil der neue Tunnel mehr Verkehr anzieht. Die Grünen rechnen damit, dass der bereits mit Feinstaub-Klagen erfolgreich gewesene Rechtsanwalt und Ex-Stadtrat Roland Kugler auch gegen den Bau des Rosensteintunnels juristisch vorgehen wird.

„Zu einem gut entwickelten Wirtschaftsstandort gehört ein Straßennetz, das Hauptpunkte vernünftig miteinander verbindet“

Umwelt- und Städtebaubürgermeister Matthias Hahn (SPD) steht zu dem Projekt und rechnet mit einer Entscheidung des Gemeinderats für den Tunnelbau am 25. Oktober. Die Planung bewege sich innerhalb der Vorschriften für Lärmschutz und Luftreinhaltung. Mehr Verkehr auf der Bundesstraße sei gewollt, denn man bündele den Verkehr auf der B 10 absichtlich, um andere Bereiche wie die Cannstatter Neckarvorstadt zu entlasten. Wer die Idee der Stadt am Fluss verfolge, müsse diesen Tunnel und die Verkehrsreduzierung auf der heutigen Neckartalstraße zwischen Wilhelma und Neckar wollen. Die B 10 erschließe nicht nur den Neckarhafen, sondern wichtige Industriegebiete, den Cannstatter Wasen und den Neckarpark. „Zu einem gut entwickelten Wirtschaftsstandort gehört ein Straßennetz, das Hauptpunkte vernünftig miteinander verbindet“, sagt Hahn. Der vierspurige Rosensteintunnel werde auf absehbare Zeit vermutlich das letzte große Straßenneubauvorhaben in Stuttgart sein. Mit ihm schließe man eine Lücke auf der B 10. Denn die Heilbronner Straße in Feuerbach ist bereits ausgebaut und auf dem Pragsattel entlastet ein Tunnel den früher oft überforderten Straßenknoten. Aus Gründen des Umweltschutzes habe man vor Jahren bereits eine Neubautrasse durch die Weinberge an der Krailenshalde aufgegeben, erinnert Hahn.

Für die Einsprüche habe er Verständnis. Aber keiner davon greife die eigentliche Tunnelplanung an. Bei allen gehe es um eine grundsätzliche Ablehnung, weil man mehr Lärm und Abgase an den Zu- und Abfahrten befürchte. Niemand habe aber eine wirkliche Alternative vorgeschlagen. Die Situation am Neckar zu belassen wie sie ist, führe nicht weiter. Und Vorschläge wie den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, mehr Parkraummanagement in Stuttgart, mehr Elektromobilität und die Förderung von mehr Fahrradverkehr setzte man bereits um.

Eines immerhin kann sich Hahn vorstellen: dass nach der Fertigstellung des Tunnels 2017 oder 2018 auf den Bundesstraßen 10/27 in Zuffenhausen Tempo 50 oder 60 eingeführt wird, um die Umgebung zu entlasten. Zur Einhaltung der Grenzwerte brauche man dies jetzt nicht vorzusehen, aber zu gegebener Zeit könne man darüber reden.