Seit der Razzia am Donnerstag sitzen sieben Flüchtlinge in Untersuchungshaft. Foto: Getty Images Europe

Ein Mann soll abgeschoben werden. Plötzlich umringen 150 Flüchtlinge die Polizisten. Er habe niemanden gerufen, sagt jetzt der Mann, der Auslöser des Tumultes war. Derweil stellt sein Rechtsanwalt Strafanzeige.

Ellwangen - Der durch eine geplante Abschiebung ausgelöste Tumult in der Ellwanger Erstaufnahmeeinrichtung am Montag vor einer Woche ist für den betroffenen 23-jährigen Flüchtling aus Togo offenbar vollkommen überraschend gekommen. Sein Mandant sei „sichtlich schockiert“ von der gesamten Situation, sagte der Rechtsanwalt Engin Sanli, der den 23-Jährigen im Asylverfahren vertritt. „Er hat die Leute nicht dazu aufgerufen“, sagte Sanli. Auch habe er sich selbst nicht gewehrt. Letzteres hatte die Polizei auch bei einer Pressekonferenz nach ihrer Razzia am vergangenen Donnerstag so dargestellt.

Die Polizei greift durch

In der Nacht zum Montag vor einer Woche hatten 150 Flüchtlinge vier Polizisten daran gehindert, den Mann aus dem westafrikanischen Kleinstaat mitzunehmen. Er sollte nach Italien zurückgebracht werden, wo er zum ersten Mal in Europa registriert worden war. An einem Streifenwagen gab es Dellen. Die Polizei zog sich zurück und reagierte drei Tage später mit einer Großrazzia, bei der auch der Mann festgenommen wurde. Obwohl er im Bett gelegen und geschlafen habe, hätten ihn vier Beamte gepackt, zu Boden gepresst und ihm einen Fuß auf den Nacken gestellt. Er habe Verletzungen am rechten Daumen und am Nacken davon getragen, sagte der Anwalt nach einem Besuch im Pforzheimer Gefängnis. Dort sitzt der Mann in Abschiebehaft. „Wir haben die Maßnahmen getroffen, die wir treffen mussten“, sagte ein Polizeisprecher.

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hatte am 7. November einen Eilantrag gegen die Abschiebeanordnung zurückgewiesen. Seither sei der 23-Jährige, der laut Anwalt in in Deutschland eine Frau und ein Kind haben soll, ausreisepflichtig gewesen. Allerdings haben der Betroffene und sein Anwalt davon offenbar nie erfahren. Der Beschluss sei einfach so in die Post gegeben worden. Mit der sonst üblichen Empfangsbestätigung „wäre es natürlich schöner gewesen“, räumte die Gerichtssprecherin ein. Das Verhalten des Gerichts sei „merkwürdig“, sagte Sanli. „Auf diese Weise wird der Rechtsweg unterlaufen.“ Am Montagabend ging beim Verwaltungsgericht ein neuer Eilantrag auf Abänderung ein.

Den Rechtsanwalt trifft der Shitstorm

Tatsächlich befand sich der Togolese im Februar schon einmal auf dem Weg zum Flughafen. Er wurde damals von der Polizei aber, ohne dass der Anwalt intervenieren musste, wieder freigelassen. Sanli sieht sich derweil üblen Beschimpfungen per Telefon, Email und in den Kommentarspalten von Onlinemedien ausgesetzt. „Mir wurde gewünscht, dass 150 Schwarzafrikaner meine Familie vergewaltigen.“ Auch Morddrohungen habe er erhalten. Mittlerweile habe er Strafanzeige erstattet. „Im Anbetracht dessen, was Politiker zu dem Fall geäußert haben, wundern mich die verbalen Exzesse nicht“, sagte der Anwalt.