Ein Künstler mit dem Messer: der türkische Metzger Nusret Gökce Foto: StZ

Der türkische Metzger Nusret Gökce wird zur Internetsensation – und wundert sich selbst darüber. Aus der ganzen Welt regnen Anfragen und Angebote auf den verdutzten Türken herab, der nun Restaurants in London und New York eröffnen will.

Istanbul - Ein Handgriff ist es, der Nusret Gökce zum Weltstar gemacht hat. Der türkische Metzger hat gerade mit lasziver Hingabe ein saftiges Steak in Scheiben geschnitten, da greift er in den Salztopf und lässt mit einem eleganten Schwung des Handgelenks aus Schulterhöhe eine Prise grobes Salz auf sein Werk herabrieseln. Neuneinhalb Millionen Mal ist das Video angeklickt worden, seit Gökce es am 7. Januar auf seiner Instagram-Seite veröffentlichte – sein Handgriff ist zur Internetsensation geworden. Aus der ganzen Welt regnen Anfragen und Angebote auf den verdutzten Türken herab, der nun Restaurants in London und New York eröffnen will.

Doch so märchenhaft sein plötzlicher Erfolg scheint, stecken dahinter doch die altbewährten Faktoren: Einsatz, Hingabe und lange Jahre harter Arbeit.   „Glaub mir, ich kapier das selbst nicht“, sagte der 34-Jährige jetzt der türkischen Gesellschaftsreporterin Ayse Arman. „Ich habe auf einmal Millionen Anhänger bei Instagram, und wenn ich auf die Straße gehe, kann ich keinen Schritt laufen, weil die Leute alle Selfies mit mir machen wollen.“ Weltweit kursiert das stilisierte Bild des Metzgers beim Salzstreuen durch die virtuelle Realität; auch T-Shirts gibt es längst und ein eigenes Emoji – ein Piktogramm, das „vollendet“ bedeutet. Sogar einen neuen Namen hat die internationale Fangemeinde dem Türken verpasst und ihn „Salt Bae“ getauft: ein englisch-türkisches Wortspiel zwischen „Salz-Baby“ und „Herr des Salzes“.   Was die Fans an dem Video des türkischen Metzgers so fasziniert, erschließt sich auf den ersten Blick nur teilweise.

„Fleisch ist meine Leidenschaft“, sagt Gökce und schwingt sein Messer

Cool sieht Gökce aus mit seinem Pferdeschwanz, Sonnenbrille, kühnem Oberlippenbärtchen und durchtrainiertem Körper im engen T-Shirt. Geschickt zerteilt er sein Riesensteak mit einem geschwungenen Messer, das einem Krummsäbel ähnelt. Doch das ist nicht alles: Aus dem nur 35 Sekunden langen Video springt ein Funke des Feuers über, mit dem Gökce sein Handwerk betreibt. „Fleisch ist meine Leidenschaft“, sagt der 34-Jährige, der seit 20 Jahren im Geschäft ist. Ein wahrer Künstler ist Gökce mit dem Messer, wie er auf vielen Instagram-Videos demonstriert – und nebenbei auch ein Lebensphilosoph. „Es reicht heutzutage nicht mehr aus, dass man seine Arbeit gut macht“, erzählte er Ayse Arman von der Zeitung „Hürriyet“, die schon seit Jahren ein Fan ist. „Heutzutage muss man eine Schau daraus machen, mit der man das Interesse der Leute wecken und sie begeistern kann.“ Seinen Kellnern rate er, erstens ihre Arbeit perfekt zu machen und sich zweitens von den anderen zu unterscheiden, und sei es nur durch einen Ohrring oder interessanten Schnurrbart. Im Grunde müsse man sich selbst zur Marke machen, um Erfolg zu haben, meint der Metzger – „sonst verdient man nichts“.  

Sechs Restaurants betreibt der Metzger – in den schicksten Vierteln

Gökce weiß, wovon er spricht: in der Türkei ist er schon lange erfolgreich. Sechs Restaurants betreibt der Metzger in den schicksten Viertel von Istanbul, Ankara und Bodrum, außerdem eines in Dubai, das vom Emir frequentiert wird. Auf einen Tisch bei Nusr’Et, wie seine Lokale heißen, musste man ohne Reservierung schon immer lange warten. Seit dem 7. Januar ist es aber fast unmöglich, spontan einen Tisch zu ergattern. „Die Araber sterben ja normalerweise lieber, als auf einen Tisch zu warten, aber hier tun sie es“, erzählt Gökce.

Abgesehen von einer Stunde Sport verbringt Gökce jede wache Minute in seinen Restaurants

Dieser Erfolg ist Gökce nicht in die Wiege gelegt worden. Als eines von fünf Kindern eines Bergarbeiters wuchs er in bitterarmen Verhältnissen auf; weder Mutter noch Vater konnten lesen und schreiben. Gökce selbst brach die Schule ab, als er die sechste Klasse wiederholen sollte, und ging mit 13 arbeiten – erst als Straßenverkäufer und dann als Schuhputzer, bevor er mit 14 als Laufbursche bei einer Metzgerei unterkam. Seither ist Fleisch sein Leben: Mit Ausnahme von einer Stunde Sport am Morgen verbringt Gökce bis heute jede wache Minute in seinen Restaurants, die er um acht Uhr morgens betritt und erst nach ein Uhr früh wieder verlässt. Um ihn zu interviewen, musste Ayse Arman morgens um sechs Uhr zum Viehzüchter mitfahren, denn abends steht Nusret Gökce in der Küche. Dass er neun Kinder habe, ist ein Gerücht – für eine Familie hat er keine Zeit.

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Anders als durch Arbeit sei der Erfolg nun einmal nicht zu haben, meint der Metzger, auch wenn sein plötzlicher Weltruhm wie ein glücklicher Zufall aussehe.