Kämpfer der islamischen Terrororganisation Jabhat al Nusra in Syrien: Was weiß die Bundesregierung über türkische Waffenlieferung an die Terroristen. Foto: AFP/Omar Haj Kadour

Die Bundesregierung will zumindest nicht öffentlich darüber reden, wie türkische Waffenlieferungen die deutsche Türkeipolitik beeinflussen. Geldflüsse aus der Türkei an die verbotene Gruppe „Osmanen Germania“ leugnet sie. Die Abgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) attestiert Staatspräsident Erdogan deshalb, einen deutschen Freibrief zu haben.

Stuttgart - Die Bundesregierung will nicht offen beantworten, welche Relevanz Waffenlieferungen der Türkei an islamisch motivierte Terrororganisationen und radikal islamische Bürgerkriegsparteien in Syrien auf die deutsche Türkeipolitik haben. Auch Geldflüsse zwischen der in Deutschland verbotenen, rockerähnlichen Gruppierung „Osmanen Germania Boxclub“ und der Türkei habe sie nicht festgestellt, antwortet die beamtete Staatssekretärin im Außenministerium, Antje Leendertse, auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen.

Die Linke-Politikerin hatte insbesondere einen Bericht des WDR-Politikmagazins „Monitor“ aus dem Sommer 2015 als Grundlage für ihre Anfrage genommen. Die Journalisten hatten ein als geheim eingestuftes Papier des Auswärtigen Amtes (AA) aus demselben Jahr gezeigt. In dem räumte das AA ein, das „seit Mitte November 2014 nachrichtendienstliche Hinweise auf Waffenlieferungen Ankaras an Kräfte des bewaffneten Widerstands in Syrien“ hindeuten. „Empfänger sollen die Gruppierung Ahrar al Sham bzw. die Islamische Front gewesen sein“.

Aus Gründen des Staatswohls keine Öffentlichkeit

„Aus Gründen des Staatswohls“ mögen die deutschen Chefdiplomaten die Frage nicht offen beantworten, welche Kenntnis sie inzwischen von den Waffenlieferungen haben. Schmallippig gibt sich das Auswärtige Amt auch bei der Beantwortung der Frage, ob solche Waffenlieferungen für die Türkeipolitik der Bundesregierung von Relevanz sei: „In die Türkeipolitik der Bundesregierung, die fortlaufend weiterentwickelt wird, fließen zahlreiche unterschiedliche Faktoren ein, darunter auch die Regionalpolitik der türkischen Regierung.“

Dagdelen ist das zu wenig: „Es ist skandalös, dass die Bundesregierung ihre Informationen über Waffenlieferungen Erdogans an islamistische Terrorgruppen in der Geheimschutzstelle des Bundestages vergräbt. Die Öffentlichkeit hat ein Recht, über das Treiben des NATO-Partners Türkei informiert zu werden.“

Kein Geld aus der Türkei für die Osmanen – wirklich?

Zumal eine weitere Antwort des Hauses von Minister Heiko Maas (SPD) aufhorchen lässt. Da heißt es: „Im Rahmen des Vereinsverbotsverfahrens wurden keine Geldflüsse der Osmanen Germania in oder aus der Türkei festgestellt.“ Wirklich?

Am 1. Juni 2016 beobachteten Polizisten des Mobilen Einsatzkommandos Hamburg gegen 14.30 Uhr, wie der Osmanen-Präsident „Mehmet Bagci sich in Berlin im Anwesen Potsdamer Straße 158 kurzzeitig mit dem AKP-Abgeordneten Metin Külünk trifft. Hierbei wurden ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit zwei Briefumschläge übergeben, in denen sich vermutlich Geld befand.“ Külünk ist ein Jugendfreund des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, zum damaligen Zeitpunkt zudem türkischer Geheimdienstkoordinator.

Zur selben Zeit hören Ermittler des hessischen Landeskriminalamtes mit, wie Bagci seinem Stellvertreter Selcuk Sahin von der Geldübergabe am Telefon berichtet. Und im baden-württembergischen LKA notieren Kriminale in einer Zusammenfassung bisheriger Ermittlungen: „Da man die finanzielle Unterstützung offiziell nicht über den türkischen Staat laufen lassen kann/will, bekommt der Beschuldigte Mehmet Bagci mitgeteilt, dass sich eine namentlich nicht bekannte Kontaktperson mit ihm diesbezüglich in Verbindung setzen wird.“

Ermittlungsakten sind voll von Hin- und Beweisen

Gefunden haben Reporter unserer Zeitung und des ZDF-Magazins Frontal 21 diese Passagen schon vor vier Jahren in ihnen zugespielten, umfangreichen Ermittlungsakten deutscher Sicherheitsbehörden. Das Verfahren führte die Staatsanwaltschaft in Darmstadt. Bis ins Auswärtige Amt scheinen diese Informationen nicht gelangt sein. Offenbar kein Einzelfall: „Bestrebungen der Ermittlungsgruppe, weitere Informationen zu den nachrichtendienstlichen Hintergründen und den Bezügen zur Regierung in Ankara zu erhalten, waren bislang ohne Erfolg“, schreiben Ermittler resigniert in ihre Akten.

Sevim Dagdelen spricht von einem „Freibrief der Bundesregierung für Erdogan“: „Es ist bezeichnend, dass sie die Geldflüsse an Erdogans Schlägerbande ,Osmanen Germania’ über Mittelsmänner nicht mit der gebotenen Sorgfalt untersuchen will.“