Die strengen Regeln einzuhalten, ist für viele Muslime im Berufsalltag nicht leicht. So zum Beispiel im Dönerladen, wo lange Arbeitszeiten das Fasten besonders erschweren. Foto: dpa

Wenn Türken Geschäfte machen, nutzen sie oft einen anderen Namen. Das bringt mehr Aufträge.

Stuttgart - Die meisten Einwanderer in Deutschland stammen mit weitem Abstand aus der Türkei. An moderne Unternehmer denkt dabei fast niemand. Doch 80000 türkischstämmige Selbstständige erwirtschaften 40 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr, Tendenz steigend. Oft geschieht das aber nicht unter eigenem Namen.

Der eigene Name kann zum Problem werden, besonders im Geschäftsleben. "Es ist nicht einfach, mit einem türkischen Firmennamen in Deutschland Aufträge zu bekommen", sagt Muhammed Erturan. Er ist selbstständiger Unternehmensberater in Stuttgart. Bei der Namenssuche für die eigene Firma ging er ganz traditionell nach deutschem Vorbild ans Werk - Nachname des Gründers und Partner, so war die Idee. Doch aus "Erturan und Partner" ist mittlerweile die Em.Con Unternehmensberatung geworden. Der internationale Name scheint zu helfen. "Nach diesem Schritt ist es erheblich einfacher geworden, Aufträge zu bekommen", sagt Erturan, "speziell bei deutschen Firmen." Die Idee für diesen Schritt kam von seinem Bankberater. "Viele türkische Unternehmer machen sich diesen Trick mittlerweile zunutze und internationalisieren ihre Firmennamen", sagt Erturan.

Noch immer haben Geschäftsleute aus der Türkei in Deutschland mit Vorurteilen zu kämpfen. "Türkische Unternehmer werden gerne auf Gemüseläden und Dönerbuden reduziert", sagt Erturan. Zwar sind die Hälfte der selbstständigen Türken in Deutschland in der Gastronomie oder im Handel aktiv, doch erwirtschaften sie damit nur zehn Prozent des Umsatzes, den Türken in Deutschland erreichen. Der türkische Unternehmer von heute entspricht dem Döner-Klischee also nicht mehr. Taxiunternehmer, Anwälte, Handwerker sowie IT- und Finanzdienstleister sind nur ein Teil der Bereiche, in denen Türken in Deutschland erfolgreich Fuß gefasst haben. "Immer mehr junge Leute machen sich in wissensintensiven Dienstleistungen selbstständig", sagt der Unternehmensgründer.

Der 35-jährige Muhammed Erturan hat sich als Finanzdienstleister selbstständig gemacht. Eine Karriere, wie sie viele junge Türken seiner Generation anstreben oder schon geschafft haben. 80000 Unternehmer mit Wurzeln in der Türkei haben sich in Deutschland selbstständig gemacht. 400000 Menschen arbeiten in ihren Betrieben, in denen 40 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaftet werden. Allein in Baden-Württemberg haben, nach Schätzung des Mannheimer Instituts für Mittelstandsforschung, 10000 Türken eigene Betriebe gegründet.

Ingenieure als Taxifahrer

Laut Muhammed Erturan werden in den kommenden Jahren immer mehr junge Türken zu Arbeitgebern. "Die Zahl der Selbstständigen wird innerhalb der nächsten 15 Jahre um 60 Prozent steigen", schätzt der Unternehmensberater. Unabhängige Studien bestätigen seine Einschätzung. Die Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers haben türkische Geschäftsleute nach ihren Erwartungen befragt. Selbst während der Wirtschaftskrise, im Januar 2009, kamen sie zu dem Ergebnis, dass 69 Prozent der befragten türkischen Geschäftsleute mit einer Umsatzsteigerung ihres Unternehmens innerhalb der nächsten Jahre rechneten. 54 Prozent erwarteten sogar, künftig mehr Mitarbeiter zu beschäftigen.

Aber nicht nur der Name macht Türken das Leben in Deutschland unnötig schwer. "Zeugnisse und Abschlüsse aus der Türkei werden in Deutschland kaum anerkannt", sagt Erturan. Ein Ingenieur kann somit nicht in einem Entwicklungsbüro arbeiten, sondern fährt beispielsweise Taxi. "Das macht angesichts des drohenden Fachkräftemangels keinen Sinn", bemängelt der Unternehmensberater. Allerdings erklärt sich aus diesem Problem auch zum Teil die Tatsache, warum überdurchschnittlich viele Türken in die Selbstständigkeit gehen. "Wer einen hohen Bildungsstand hat, versucht oft als Unternehmer Erfolg zu haben, wenn er in seinem angestammten Beruf nicht arbeiten kann", sagt Erturan.

Ein weiteres Problem trifft Geschäftsleute, die aus der Türkei in Deutschland investieren wollen. Da die Türkei nicht Teil des Schengen-Abkommens ist, müssen Türken bei der Einreise nach Deutschland ein Visum beantragen. "Das kann schon mal vier bis sechs Wochen dauern", berichtet Erturan. Das ist in der Wirtschaft eine Ewigkeit. "Wer das einmal hinter sich hat, wird in Zukunft an einem anderen Ort investieren", behauptet der Unternehmer. Erturan und viele seiner Arbeitgeberkollegen wünschen sich daher Visaerleichterungen für Türken, die in Deutschland geschäftlich aktiv sind.

Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, hat sich Muhammed Erturan mit anderen türkischen Unternehmern in dem Verein Atgiad zusammengeschlossen. Damit wollen sie helfen, die Erfolgschancen junger türkischer Unternehmer in Deutschland weiter zu verbessern. Nicht zuletzt in der Hoffnung, das Bild vom Türken in der Dönerbude durch den erfolgreichen Geschäftsmann bereichern zu können.