Die Rauchsäulen zeigen türkische Angriffe auf syrischem Boden. Foto: EPA

Ankara will die Nachschubwege des IS zerstören und eine unabhängige Kurdenregion verhindern.

Ankara - Vier Tage nach dem Selbstmordanschlag auf eine Hochzeitsgesellschaft im osttürkischen Gaziantep hat die Türkei am Mittwoch früh mit einer bisher beispiellosen Militäroffensive im Nordwesten Syriens begonnen.

Der Angriff richte sich gegen die Terrororganisationen von IS und YPG, der syrischen Kurdenmiliz, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara, der am gleichen Tag mit US-Vizepräsident Jo Biden zusammentraf: „Wir müssen einen Schlusspunkt setzten hinter die Probleme an der Grenze.“ Mit Blick auf das Unabhängigkeitsstreben der syrischen Kurden fügte Erdogan hinzu, die Türkei sei entschlossen, die territoriale Einheit Syriens zu erhalten.

Nachschubwege zerstören

Am frühen Morgen überquerten mehr als ein Dutzend Panzer und Artillerieeinheiten die Grenze und nahmen mit F-16-Kampfjets das syrische Jarabulus unter Feuer. Die Grenzstadt befindet sich IS-Hand und ist der letzte größere Nachschubkorridor der Jihadisten für ihr „Islamisches Kalifat“ und dessen Zentrale in Raqqa. In Dörfern rund um Jarabulus gibt es bereits heftige Kämpfe mit den Gotteskriegern.

In einer zweiten Phase der Operation „Schutzschild Euphrat“ wollen türkische Spezialeinheiten und syrische Rebellen der „Freien Syrischen Armee“ dann in die Wohnviertel vordringen, um die Jihadisten zu vertreiben. Alle Landsleute in Karkamis, das auf türkischer Seite Jarabulus gegenüber liegt, wurden aufgefordert, ihre Häuser zu räumen und sich im Hinterland in Sicherheit zu bringen. Zuvor hatte Außenminister Mevlut Cavusoglu angekündigt, man werde die Grenzregion zum „Islamischen Kalifat“ von Extremisten säubern. Was immer dazu notwendig sei, werde getan.

Kein kurdisches Herrschaftsgebiet in Syrien

Der syrischen Kurdenpartei PYD und ihren YPG-Milizen warf er vor, den Kampf gegen den IS nur als Vorwand zu benutzen, um ein eigenes Herrschaftsgebiet in Syrien aufzubauen. „Wir werden diese geheime Agenda durchkreuzen“, sagte Cavusoglu, der damit auf eine ähnliche Militäroperation gegen das grenznahe Manbij anspielt. Die Stadt war erst vor kurzem nach dreimonatigen Kämpfen durch kurdische YPG-Einheiten und arabische Truppen vom IS befreit worden, die aus der Luft von US-Kampfjets unterstützt wurden.

Wie Jarabulus spielte auch Manbij, wo die Terroranschläge in Paris und Belgien geplant wurden, für den IS-Nachschub eine entscheidende Rolle. Die PYD, deren YPG-Milizen auf syrischem Boden mit den USA kooperieren, ist eng mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden. Die Türkei sieht beide Kräfte als Terrororganisationen an. Sie will unter allen Umständen verhindern, dass an ihrer Südgrenze ein zusammenhängendes, autonomes Machtgebiet der Kurden entsteht.

Umdenken in Sachen Assad

Im Blick auf Syriens Diktator Bashar-al Assad dagegen scheint es in Ankara zum ersten Mal seit mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg ein Umdenken zu geben. Inzwischen räumte der türkische Regierungschef Binali Yildirim ein, Assad sei einer der „Akteure“ in Syrien und könne möglicherweise bei einer Übergangsführung zunächst einmal im Amt bleiben. Gleichzeitig bot er Russland eine Kriegsallianz gegen den IS an und erklärte, niemand solle sich wundern, „wenn es in den nächsten Monaten beim Thema Syrien bedeutende Entwicklungen geben sollte“.

Zuvor war Ex-Geheimdienstchef Ismail Hakki Pekin nach Damaskus gereist, um eine Wiederannäherung der beiden seit fünf Jahren verfeindeten Staaten auszuloten. Nächste Woche wird Präsident Erdogan in Teheran erwartet.

Die Bundesregierung hat ihr Einverständnis für diese Militäroffensive erklärt. Ankara handle im Einklang mit den Zielen und Absichten der internationalen Koalition gegen den IS, sagte Martin Schäfer, Sprecher des Auswärtigen Amts. Dass die Türkei damit auch ein Gebiet im Norden Syriens unter vollständiger kurdischer Kontrolle verhindern will, „muss man so zur Kenntnis nehmen“, so Schäfer.  www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.die-rolle-der-tuerkei-im-syrien-konflikt- putin-legt-den-finger-in-die-wunde.f3321393-6826-4dfe-96d1- www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.tuerkei-und-syrien-der-todfeind-assad- wird-wieder-zum-freund.37142f57-9868-42b9-9d42-0eaf951397c5.html