Wechselstube: Derzeit tauschen viele Türken ihre Lira in Dollar um, weil der Wert der türkischen Währung im freien Fall ist. Foto:  

Wer jetzt in der Türkei auf eigene Faust Hotels, Mietwagen und Ausflüge bucht, spart enorm. Pauschalurlauber gehen allerdings leer aus. Sorgen bereitet die schwache türkische Lira den deutschen Unternehmen.

Stuttgart/Istanbul - Der rasante Wertverlust der türkischen Lira besorgt die Maschinenbauer im Land. Durch die steigenden Preise verteuern sich die Exporte in die Türkei, der Umsatz geht bereits zurück. Auch die deutschen Banken könnten Probleme bekommen. Urlauber dagegen dürfen sich freuen. Die wichtigsten Fragen und Antworten: Wie kommt man zurSchnäppchen-Reise? Sparen kann, wer jetzt auf eigene Faust in die Türkei reist und in der Landeswährung zahlt. Ob Essen, Trinken, Veranstaltungen oder Souvenirs: All das wird erheblich günstiger. Erhielt man vor zwei Wochen für einen Euro noch knapp sechs türkische Lira, konnte man am Montag zeitweise für einen Euro rund acht türkische Lira umtauschen oder abheben. „Ich würde direkt in der Türkei buchen“, empfiehlt Thomas Meißner, Abteilungsleiter Strategie bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Dazu zählen Hotels, Mietwagen oder auch Ausflüge mit lokalen Reiseveranstaltern.

Haben Pauschalurlauber ebenfallsVorteile? Die meisten Urlauber aus Deutschland buchen Pauschalreisen in die Türkei – oft sind hier auch Essen und Trinken inklusive. Da die Reiseveranstalter die Kontingente für die angebotenen Pauschalreisen schon früh bei den türkischen Partnern einkaufen, ändert sich für Pauschalreisende kaum etwas, außer sie kaufen im Urlaubsort noch Souvenirs ein oder gehen shoppen. „Aktuell gibt es keine Auswirkungen auf die Preise“, heißt es beim Deutschen Reiseverband (DRV). Wie sich die fallenden Preise für die Sommer- und Wintersaison 2019 auswirken, könne noch niemand sagen. „Die westeuropäischen Reiseunternehmen werden versuchen, die Preise zu halten“, prognostiziert der LBBW-Experte Meißner.

Was bedeutet der Fall der türkischen Lira für die deutschen Unternehmen? Die Türkei steht als Exportmarkt für Deutschland an 16. Stelle. Im vergangenen Jahr wurden Waren im Wert von 21 Milliarden Euro ausgeführt, teilt der Außenhandelsverband BGA mit. Durch die Abwertung der Lira steige die bereits vorhandene Verunsicherung wegen der fehlenden verlässlichen Rahmenbedingungen, heißt es bei der BGA. Außerdem sinke die Kaufkraft der Türken – auch für deutsche Produkte.

„Deutsche Firmen werden es beim Export schwer haben – die Waren verteuern sich extrem“, sagt LBBW-Experte Meißner. Ein Vorteil sei allerdings der gute Ruf deutscher Unternehmen. „Die Qualität gilt als gut. Dadurch spielt der Preis nicht die entscheidende Rolle.“ Wie stark sind die Firmen aus dem Südwesten betroffen? Insgesamt ist die Südwestwirtschaft mit der Türkei im Bundesvergleich überdurchschnittlich verflochten, teilt das Wirtschaftsministeriums des Landes mit. So führten die baden-württembergischen Firmen 2017 Waren im Wert von drei Milliarden Euro aus. Ein Drittel des Umsatzes machten Autos und Autoteile und rund ein Viertel Maschinen aus. Für Firmen, die in der Türkei produzieren, haben sich die Einfuhren von Vor- und Zwischenprodukten stark verteuert. Zugleich könnten sie ihre Produkte günstiger exportieren, heißt es. „Der Währungsverfall der türkischen Lira dürfte auf kurze Sicht eher überschaubare Folgen für die baden-württembergische Wirtschaft, für deren Handel und deren Investitionen haben“, sagt Wirtschaftsmnisterin Nicole Hoffmeister-Kraut. Berichten deutsche Firmen schon von Problemen? Beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) haben sich bereits Mitgliedsunternehmen gemeldet, deren Geschäftspartner in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. „Türkische Unternehmen würden gerne Waren bestellen, können es aber nicht“, sagt Friedrich Wagner, Referent für die Türkei beim VDMA. Betroffen seien vor allem Unternehmen, die die Expansion mit Darlehen in Euro oder Dollar finanziert haben. Seit Anfang des Jahres hat die türkische Währung bereits stark an Wert verloren. Die bisherigen Zahlen sind nicht ermutigend: Von Januar bis Mai dieses Jahres sind die Export-Erträge deutscher Maschinenbauer aus dem Türkei-Geschäft um rund fünf Prozent zurückgegangen.

Beim Autobauer Daimler heißt es, man beobachte „die Situation sehr genau“. Planänderungen infolge des Währungsverlustes gebe es aber keine. Was bedeutet das für die deutschenBanken? Die deutschen Banken haben laut Bundesbank in der Türkei derzeit Kredite in Höhe von 21 Milliarden Euro vergeben. Die Forderungen baden-württembergischer Banken, Privatpersonen und Unternehmen in der Türkei betragen dabei rund zwei Milliarden Euro. Mit dem Fall der türkischen Lira steigt das Risiko, dass türkische Unternehmen und Banken die Kredite nicht zurückzahlen können. Ein Risiko stellt auch die enge Vernetzung der Banken im Euroraum da, betont Meißner. Die Finanzinstitute in Spanien, Italien und Frankreich würden weitaus häufiger Kredite an türkische Firmen vergeben. Das könnte sich dann auch auf die deutschen Banken auswirken. „Es kann zu kleineren Turbulenzen kommen. Ich glaube aber nicht, dass es dramatisch wird“, sagt Meißner. Was steckt hinter dem neuerlichen Fall der türkischen Lira? Ein Streit mit den USA um das Schicksal des US-Pastors Andrew Brunson, der in der Türkei wegen Terrorvorwürfen festgehaltenen wird, hat die türkische Lira in den freien Fall befördert. Am vergangenen Freitag hatte US-Präsident Donald Trump die Verdoppelung von Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der Türkei verkündet. Stahl aus der Türkei wird seit Montag mit Abgaben in Höhe von 50 Prozent statt bislang 25 Prozent belegt.