Exportschlager: der Kampfpanzer Leopard 2 – hier Fahrzeuge der Bundeswehr in der Version A6. Der mögliche Einsatz deutscher Leopard-Panzer durch die Türkei in Syrien stellt die deutsche Außenpolitik vor schwierige Fragen. Foto: dpa

Der türkische Angriff auf kurdische Milizen, die in Syrien an amerikanischer und deutscher Seite die Terroristenbande IS bekämpft haben, bringt die deutsche Außenpolitik in die Zwickmühle. Umso mehr ist jetzt eine klare Haltung gefragt, kommentiert StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - Völlig unerheblich, ob der letzte Beweis geführt ist oder nicht – allein die Möglichkeit, dass die Nato-Partnerin Türkei deutsche Waffen für ihren Feldzug in syrischen Kurdengebieten einsetzt, zwingt Deutschland zu einer klaren Haltung. Nur, welche soll das sein?

Da kann man so argumentieren: Deutschland hat sich auferlegt, keine Waffen in Kriegsgebiete zu exportieren. Außerdem führt die Türkei im Nachbarland einen Angriffskrieg auf völkerrechtlich zumindest umstrittener Grundlage. Außerdem sind ausgerechnet jene kurdischen Milizen ihr Angriffsziel, die am aufopferungsvollsten gegen die Terroristenbande Islamischer Staat in Syrien gekämpft und zu dessen Niederlage beigetragen haben. In diesem Kampf haben deutsche Waffen nichts zu suchen.

Den Tod von Verbündeten in Kauf nehmen?

Wenn es nur so einfach wäre! Unterstellt, die Türkei kommt auf die Idee für ihre ursprünglich 354 deutschen Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A4, von denen angeblich mehrere in Syrien abgeschossen wurden, bei deutschen Herstellern Reaktivpanzerung oder sogenannte abstandsaktive Schutzsysteme zu bestellen: Soll die Bundesregierung das verweigern? Darf sie tatsächlich den Tod von Soldaten einer der engsten Verbündeten billigend in Kauf nehmen? Wenn sie das macht, kann Deutschland die Nato vergessen und hat als unzuverlässiger Partner seinerseits keinen Beistand mehr zu erwarten.

Wo der Zwiespalt so riesig ist, kommt es umso mehr auf eine eindeutige Haltung an. Schließlich ist Berechenbarkeit die Grundwährung jeder erfolgreichen Außen-, Sicherheits- und Bündnispolitik.

Herumeiern und Moralisieren

Die durch das kriegerische Eingreifen der Türkei in Syrien so vertrackte Lage deckt schonungslos auf: Das für die deutsche Rüstungsexport-Politik prägende Herumeiern, Schönreden, Moralisieren mag vieles sein, bloß keine Basis für außenpolitische Berechenbarkeit. Erst recht nicht für Glaubwürdigkeit – auch sie ein hohes Gut in internationalen Beziehungen.

Die deutschen Waffen in türkischer Hand in Syrien zeigen, dass Deutschland mit solchen Problemen endlich wie eine erwachsene, souveräne Nation umgehen muss. Das heißt, dass das Land seine Interessen definiert und auch nach außen klar benennt.

Die Nato steht obenan

Im konkreten Fall hieße das in der Abwägung: Der Zusammenhalt in der Nato steht obenan, denn die Allianz garantiert Deutschlands äußere Sicherheit. Dahinter treten ebenfalls wichtige Aspekte zurück wie das Bemühen, mit Waffenverkäufen ins Ausland keine Konflikte anzuheizen. Im Klartext: Will die Türkei deutsche Schutzausrüstung für ihre deutschen Panzer, soll sie die bekommen.

Wobei eine Entscheidung im türkischen Interesse zusätzlich dadurch belastet wäre, dass der Einsatz deutscher Waffen für Angriffe auf syrische Kurden leider keineswegs das Einzige ist, womit die Regierung Erdogan seit geraumer Zeit die Beziehungen zu Deutschland erheblich belastet. Da wiegen die Inhaftierungen Deutscher und in Deutschland lebender Türken unter fadenscheinigen Anschuldigungen erst einmal schwerer. Ebenso die zwielichtigen türkischen Netzwerke sehr regierungsnaher Kreise in Deutschland.

Wann, wenn nicht jetzt?

Das ändert aber nichts daran: Generell braucht Deutschland endlich eine plausible, aus deutschen und aus EU-Interessen abgeleitete Marschroute für die Ausfuhr von Waffen. Wann, wenn nicht jetzt angesichts der türkischen Syrien-Politik will der Bundestag damit anfangen, die Wegmarken dafür abzustecken?

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