Erdogans Kritiker in Deutschland sorgen sich vor Überwachung. (Archivfoto) Foto: dpa

Eine Namensliste des türkischen Geheimdienstes sorgt für Aufregung. Angeblich sollen Anhänger der Gülen-Bewegung darin aufgeführt sein. Deutsche Behörden raten zur Wachsamkeit.

Stuttgart - Seit dem Bekanntwerden einer Liste des türkischen Geheimdienstes MIT mit angeblichen Anhängern des islamistischen Predigers Gülen in Deutschland sind hierzulande Türken in Sorge – zumindest diejenigen, die Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisch sehen.

Er fühle sich nicht sicher, sagt ein Sprecher der Kurden

Vom türkischen Geheimdienst würden nicht nur angebliche Gülen-Anhänger ausspioniert, sondern „jeder der Erdogan öffentlich kritisiert ist gefährdet“, sagte Ali Ertan Toprak, der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland dem Sender SWR am Dienstag. „Wir fühlen uns nicht sicher.“ Schon im vergangenen Jahr habe er vor der Ausspähung „in meiner neuen Heimat“ gewarnt, in der deutschen Politik aber kein Gehör gefunden. „Jetzt kommt alles raus.“

Laut Recherchen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR spioniert der türkische Geheimdienst angebliche Anhänger des in den USA im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen in Deutschland aus. Der Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, habe am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz eine Liste mit den Namen von 300 in Deutschland lebenden angeblichen Gülen-Anhängern sowie 200 angeblich Gülen nahestehenden Vereinen, Schulen und anderen Einrichtungen an den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes BND, Bruno Kahl, übergeben. Dies tat Fidan offenbar in der Hoffnung, der BND werde den MIT unterstützen. Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Staatsfeind. Vor allem Präsident Erdogan macht sie für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich.

Gegen Spionage von Ditib-Imanen wird schon ermittelt

BND-Präsident Bruno Kahl, so die Berichte weiter, habe die Liste an Bundesregierung und Verfassungsschutz weitergeleitet. Inzwischen seien auch das Bundeskriminalamt, der Generalbundesanwalt, Polizeibehörden und der Verfassungsschutz in den Bundesländern eingeschaltet. Aus Sorge um die Sicherheit der Betroffenen seien bereits einige von den deutschen Behörden gewarnt worden. Sie sollten sich zum Beispiel gut überlegen, ob sie in die Türkei reisen oder auch nur türkische diplomatische Einrichtungen in Deutschland betreten wollten, etwa um dort beim Referendum über die Einführung des Präsidialsystems abzustimmen.

Schon seit längerem ermittelt der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Spionage beim bundesweiten Dachverband der türkischen Moschee-Gemeinden Ditib. Die Ditib ist mit rund 900 Gemeinden der größte islamische Einzelverband in Deutschland. Einige Ditib-Imame sollen Informationen über angebliche Gülen-Anhänger an die türkische Regierung weitergeleitet haben.

Die Bundesregierung sieht keinen Beleg dafür, dass die Gülen-Organisation in den Militärputsch verwickelt war. „Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen“, sagte BND-Chef Kahl kürzlich dem „Spiegel“: „Das ist ihr aber bisher nicht gelungen.“