Zwei Wochen lang konnten Deutschtürken im Wahllokal in Zuffenhausen ihre Stimme abgeben. Foto: Oliver Willikonsky - Lichtgut

Bis jetzt haben 46,1 Prozent von Württembergs wahlberechtigten Deutschtürken in Stuttgart ihre Stimme bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei abgegeben. Wird Recep Tayyip Erdogan hier wieder so ein gutes Ergebnis erreichen wie im Vorjahr?

Stuttgart - Am letzten Wochenende der Türkeiwahl ist es vor und im Wahllokal in Zuffenhausen eng zugegangen. Am Sonntag sei der Andrang so groß gewesen, dass die Lage zeitweise „ein bisschen problematisch“ war, sagt Ümit Duran, der Sprecher des türkischen Konsulats in Stuttgart. „Aber die Polizei hat das gut geregelt.“

Nicht nur mit Privatautos, auch mit rund 40 Bussen sind die Wahlberechtigten aus ganz Württemberg angereist, um im Wahllokal an der Lorenzstraße ihre Stimme bei der Parlaments- und Präsidentenwahl in der Türkei abzugeben. „Etwas unruhig“ seien die Verhältnisse vor Ort mitunter gewesen, erklärte ein Polizeisprecher. Es habe aber „keine unfriedlichen Situationen“ gegeben. Obwohl die Warteschlange entlang der 90 Meter langen, kniehohen Sicherheitsmauer aus Beton manchmal „300 bis 400 Meter“ erreichte.

Keine Provokationen zugelassen

Provokationen etwa durch das Schwingen von Fahnen habe man „nicht geduldet“. Es sei nur zu ein paar kleinen Autounfällen gekommen. Weil die Lage im ganzen Bereich unweit des Porschewerks, wo noch andere Veranstaltungen stattfanden, angespannt war, seien „Bürgerbeschwerden“ eingegangen, so der Sprecher. „Es hat einige Anrufe bei der Wache gegeben, dass die Verkehrssituation unerträglich sei.“

Bis zu diesem Dienstag haben Deutschtürken die Möglichkeit, ihre Stimme bei der am 24. Juni in der Türkei stattfindenden Wahl abzugeben. Rund 243 000 Wahlberechtigte gibt es in Baden-Württemberg, knapp 150 000 davon in Württemberg, 93 000 in Baden mit dem Wahllokal in Karlsruhe. Laut Stadtverwaltung sind unter den rund 30 000 in Stuttgart lebenden Türken 17 600 Stimmberechtigte.

Wahlbeteiligung etwas geringer

Bis gestern lag die Wahlbeteiligung im Wahllokal Stuttgart bei 46,1 Prozent. Das ist etwas weniger als voriges Jahr beim Referendum, als 51,3 Prozent der Deutschtürken Württembergs an die Urne gingen. Präsident Recep Tayyip Erdogan erhielt hier für seine Pläne damals immerhin 66,3 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Gökay Sofuoglu, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland aus Fellbach, ist nach den Konflikten im Vorjahr froh, „dass die Wahl ruhig geblieben ist“. Keine Seite habe polarisiert.

Tendenz zum Konservativen

„Deutschland und die Türkei standen in ihren bilateralen Beziehungen diesmal nicht auf Kriegsfuß“, sagt Caner Aver. Unter anderem darauf führt der Programmverantwortliche des Bereichs Migration und Hochschule beim Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) in Essen die etwas geringere Wahlbeteiligung zurück. Dabei gehe es bei dem Urnengang um einen „Systemwechsel“. Der teils heftig geführte Streit hatte im vergangenen Jahr viele Wähler mobilisiert.

Die Deutschtürken in Württemberg, sagt Aver, hätten „eine Tendenz zum Konservativen“. Das führt der Forscher darauf zurück, dass es sich bei diesen mehrheitlich um „klassische Arbeitsmigranten aus dem ländlichen Bereich Inneranatoliens“ handle. Entsprechend hoch ist die Zustimmung zur Politik des türkischen Präsidenten. Dennoch hält der Sozialforscher das von „Hau-drauf-Medien“ immer wieder erzeugte Bild für falsch, dass die Hälfte der Deutschtürken Erdogan wähle.

Nur die Hälfte ist wahlberechtigt

Denn von den insgesamt rund 2,9 Millionen in der ganzen Republik lebenden Deutschtürken seien nur 1,4 Millionen in der Türkei noch wahlberechtigt. „Rund 50 Prozent sind eingebürgert“, sagt Caner Aver. Und von den Wahlberechtigten geht wiederum nur etwa die Hälfte zur Wahl, von denen im Bundesschnitt etwa die Hälfte Erdogan wählt. Gemessen an der Gesamtzahl seien das dann noch „zehn bis zwölf Prozent“, erklärt der Türkeikenner.

Caner Aver geht davon aus, dass der Präsident bei dieser Wahl im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit erreichen wird und es einen zweiten Wahlgang geben wird. Aver: „Es wird auf jeden Fall eng.“