Bundesinnenministerin Nancy Faeser trifft in Ankara ihren türkischen Kollegen Süleyman Soylu Foto: dpa/Anne Pollmann

Zwei völlig unterschiedliche Politiker geben sich harmonisch: die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser verstand sich offenbar gut mit dem türkischen Rechtsnationalisten Süleyman Soylu.

Fast zwei Stunden länger als geplant sprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Dienstag in Ankara mit ihrem türkischen Kollegen Süleyman Soylu. Ihr Gastgeber habe ihr einen „sehr interessanten Einblick“ in die „operative Arbeit“ seines Ministeriums gegeben, sagte Faeser hinterher. Was Soylu der SPD-Politikerin gezeigt hatte, blieb offen, doch Faeser war sehr dankbar: „Ich habe mich sehr gefreut.“ Überhaupt verstand sich die deutsche Sozialdemokratin offenbar gut mit dem türkischen Rechtsnationalisten, was an den jeweiligen innenpolitischen Interessen beider Seiten lag.

Ein Berg an Problemen

In ihrer gemeinsamen Pressekonferenz mieden Faeser und Soylu scharfe Töne. Der Berg der Probleme im deutsch-türkischen Verhältnis von den Verhaftungen von Bundesbürgern in der Türkei über die Unterdrückung Andersdenkender, die türkischen Drohungen gegen Griechenland und die Beschwerden über angebliche deutsche Toleranz für die PKK bis hin zu den jüngsten türkischen Luftangriffen in Syrien wurde allenfalls gestreift.

Faeser sprach der Türkei ihr Beileid zum Tod von sechs Menschen bei dem Bombenanschlag von Istanbul vom 13. November aus. Mit Blick auf die türkischen Vergeltungsangriffe auf Positionen der syrisch-kurdischen Miliz YPG der vergangenen Tage beschränkte sie sich auf den Hinweis, diese sollten „verhältnismäßig“ bleiben und Zivilisten schonen.

Soylu weiß um die Bedeutung Deutschlands für die Türkei

Nur kurz ließ Soylu, der sonst gerne den anti-westlichen Scharfmacher gibt, seine Verärgerung über solche Ermahnungen aufblitzen. Der Tod unschuldiger Menschen bei dem Anschlag von Istanbul und bei YPG-Raketenangriffen auf eine türkische Stadt am Montag seien auch nicht „verhältnismäßig“ gewesen, sagte er. Zudem wiederholte Soylu die oft vorgetragene Beschwerde der Türkei, Terroranschläge auf ihrem Boden würden international nicht stark genug verdammt: Als in Polen zwei Raketen einschlugen, sei die ganze Welt auf die Barrikaden gegangen.

Ansonsten hatten Faeser und Soylu wenig am jeweiligen Gegenüber zu beanstanden. Der türkische Minister weiß, dass die Türkei die Bundesrepublik als mächtigstes Land in der EU und als wichtigsten Handelspartner braucht. Soylu sagte, er habe mit Faeser „gemeinsame Schritte“ in mehreren Themenbereichen vereinbart. Einer davon lag der Bundesinnenministerin besonders am Herzen: die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Vorige Woche hatte sie ein Strategiepapier mit dem Ziel vorgestellt, „kriminelle Strukturen nachhaltig zu zerschlagen“. Besonders beim Kampf gegen kriminelle Clans braucht sie die Mitarbeit der Türkei, der Heimat einiger Verbrecherbanden.

Russland warnt vor Destabilisierung der Lage in Syrien

Deutschland ist nicht die einzige internationale Macht, die Rücksicht auf die Türkei nimmt. Russland und die USA, die große Teile von Syrien mit Hilfe von Verbündeten kontrollieren, halten sich mit Kritik an Ankara wegen der jüngsten Luftangriffe ebenfalls zurück.

Kreml-Sprecher Dmitry Peskow sagte am Dienstag, Russland verstehe und respektiere die türkische Haltung zur YPG, die an der Grenze zur Türkei im Norden Syriens ein Autonomiegebiet aufgebaut hat und von Ankara als Terrororganisation betrachtet wird. Alle Parteien sollten aber Schritte unterlassen, „die zur Destabilisierung der allgemeinen Lage“ in Syrien führen könnten.

Auch die USA, die mit der YPG im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) verbündet sind und die kurdische Miliz als Bodentruppe zur Sicherung von Nordost-Syrien und der dortigen Ölfelder einsetzen, wollen die Türkei nicht verärgern. Washington befürchte, dass eine Eskalation zwischen Ankara und der YPG dem Kampf gegen den IS schaden könnte, erklärte das US-Außenamt.

Erdogan droht mit Einmarsch in Syrien

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Montag mit einem neuen Truppeneinmarsch nach Syrien gedroht; die türkische Kurdenpartei HDP wirft Erdogan vor, mit einer neuen Offensive vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im kommenden Jahr um Wählerstimmen werben zu wollen. Ein Einmarsch ohne grünes Licht aus Moskau und Washington wäre für Ankara allerdings sehr riskant.

Trotzdem verschärfte Erdogan am Dienstag den Ton gegenüber den USA. Die Türkei wisse, „wer die Terroristen geschützt, bewaffnet und ermutigt hat“, sagte er in Anspielung auf die Zusammenarbeit zwischen Amerika und der YPG. Seine Armee werde „so schnell wie möglich“ mit Soldaten und Panzern nach Syrien vorrücken.