Der türkische Präsident Erdogan geißelt in seinem Wahlkampf die Europäer als Gegner. Foto: AP

Der Verzicht auf weitere Minister-Besuche ist ein Schachzug der Türkei – mehr nicht, meint die Türkei-Korrespondentin Susanne Güsten.

Istanbul - Der Verzicht der türkischen Regierungspartei AKP auf weitere Minister-Besuche in Deutschland vor dem Verfassungsreferendum am 16. April ist ein taktischer Schachzug Ankaras. Zum einen sind die Anhänger von Präsident Erdogan überzeugt, dass sie mit der Aufregung über die Politiker-Besuchein Europa ihr wichtigstes Ziel erreicht haben: Nationalistische türkische Wähler in der Bundesrepublik und anderswo sind durch den Streit ausreichend motiviert, um in großer Zahl zu den Urnen zu gehen. Zum anderen kommt die AKP damit einem drohenden Auftrittsverbot in ganz Deutschland zuvor.

All das bedeutet aber nicht, dass jetzt Ruhe herrscht. In seinen Wahlkampfreden geißelt Erdogan die Europäer als Gegner, die ein Erstarken der Türkei verhindern wollen. Diese Verteufelung des Westens weist auf den tiefen Graben hin, der sich zwischen Ankara und der EU aufgetan hat. Und es gibt keine Hinweise darauf, dass Erdogan diesen Graben nach der Wahl überbrücken will. Zudem sollte man auf Überraschungen gefasst sein: Der Verzicht wurde von der AKP-Auslandsvertretung bekannt gegeben, nicht von Erdogan selbst. Ein spontaner Besuch Erdogans vor dem 16. April ist zwar unwahrscheinlich – aber völlig ausgeschlossen ist es nicht, dass er in Deutschland auftritt, wenn sein Wahlkampf eine solche Aktion erfordert.