Großer Jubel in Teilen der Türkei. Recep Tayyip Erdogan wurde zum Sieger des Türkei-Referendums erklärt. Foto: dpa

Recep Tayyip Erdogan und das „Ja“-Lager wurden jetzt auch von der Wahlkommission zum Sieger des Türkei-Referendums gekürt.

Istanbul - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat das „Ja“-Lager trotz Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung zum Sieger des Referendums erklärt. Das Volk habe eine „historische Entscheidung“ getroffen und der Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems zugestimmt, das ihn künftig mit deutlich mehr Macht ausstattet. Seine „erste Aufgabe“ werde sein, die Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung zu setzen, kündigte der Präsident am Sonntagabend in Istanbul vor begeisterten Anhängern an.

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Nach dem vorläufigen Resultat habe das „Ja“-Lager gewonnen, bestätigte der Vorsitzende der Wahlkommission, Sadi Güven, im Fernsehen. 24,8 Millionen Wähler hätten mit „Ja“ votiert, 23,5 Millionen hätten das Präsidialsystem abgelehnt. Nach inoffiziellen Angaben staatlicher Medien lag der „Ja“-Anteil nach Auszählung von 99,45 Prozent der Stimmen bei 51,37 Prozent.

Opposition will Wahlergebnis anfechten

Die türkische Opposition, die eine Ein-Mann-Herrschaft befürchtet, will den Ausgang des Referendums anfechten. „Dieses Referendum hat eine Wahrheit ans Licht gebracht: Mindestens 50 Prozent dieses Volkes hat dazu „Nein“ gesagt“, sagte Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der Mitte-Links-Partei CHP. Die Wahlkommission habe ihre eigenen Vorgaben nicht beachtet. „Das werden wir bis zuletzt verfolgen.“ Die prokurdische HDP kündigte an, man werde Beschwerde gegen das Ergebnis von zwei Dritteln der Wahlurnen einlegen.

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Ministerpräsident Binali Yildirim beschwor die Einheit des Volkes. „Wir sind eine Nation“, sagte er. „Wir werden unsere Einheit und Solidarität wahren.“ Er fügte hinzu: „Es gibt keine Verlierer dieser Volksabstimmung. Gewonnen hat die Türkei und mein edles Volk. Jetzt ist es Zeit, eins zu sein.“ Das Volk habe das letzte Wort gesprochen. Es hat „Ja“ gesagt und einen Punkt gesetzt“, sagte Yildirim am Abend in Ankara.

Erdogan und die Todesstrafe

Erdogan sagte vor begeisterten Anhängern: „Wir haben viel zu tun, wir haben noch viel zu erledigen in diesem Land.“ Als er fortfuhr: „So Gott will, wird die erste Aufgabe sein...“ unterbrach ihn die Menge mit: „Todesstrafe, Todesstrafe“-Rufen. Wenn er dafür nicht die nötige Unterstützung im Parlament bekomme, „dann machen wir eben auch dazu eine Volksabstimmung“, bekräftigte Erdogan.

Der Staatschef hatte eine Wiedereinführung der Todesstrafe nach dem Putschversuch vom Juli 2016 ins Spiel gebracht. Die EU hat angekündigt, dass der Beitrittsprozess der Türkei beendet würde, sollte dort die Todesstrafe wieder eingeführt werden.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), forderte einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara. „Diese Lebenslüge, die wir in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei haben, nämlich die Vollmitgliedschaft, die muss jetzt ernsthaft diskutiert werden und aus unserer Sicht vom Tisch genommen werden“, sagte er im ZDF-„heute journal“.

Graf Lambsdorff, Wagenknecht und Gabriel reagieren

Auch FDP-Präsidiumsmitglied Alexander Graf Lambsdorff forderte ein Ende der Beitrittsverhandlungen, „damit die Beziehungen zu diesem wichtigen Nachbarland sich endlich von diesem gescheiterten, zombiehaften Prozess lösen und auf eine ehrliche Grundlage gestellt werden können“.

Die Linksfraktionschefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Der heutige Tag ist eine Zäsur für die Türkei. (...) Durch Manipulationen ist es dem türkischen Präsidenten Erdogan gelungen, eine Mehrheit für eine Diktatur zu erreichen.“ Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte eine Neubewertung der deutsch-türkischen Beziehungen: „Ein „Weiter so“ kann es jedenfalls nicht geben“.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte in Berlin: „Wir sind gut beraten, jetzt kühlen Kopf zu bewahren und besonnen vorzugehen“. Er zeigte sich erleichtert, dass der „erbittert geführte Wahlkampf“ vorbei sei. Dieser hat die deutsch-türkischen Beziehungen massiv belastet.

Fast 60 Millionen Wahlberechtigte

Die Türken in Deutschland stimmten nach vorläufigen Teilergebnissen mit großer Mehrheit für das Präsidialsystem. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu kam das „Ja“ nach Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmen auf 63,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung in Deutschland lag bei knapp 50 Prozent.

Insgesamt waren rund 58,2 Millionen Wahlberechtigte zur Abstimmung aufgerufen: 55,3 Millionen in der Türkei und 2,9 Millionen im Ausland. Letztere hatten bis zum Sonntag vergangener Woche die Möglichkeit, in ihren jeweiligen Ländern abzustimmen.