Der türkische Präsident Erdogan übt in Reden öffentlich Druck auf die Zentralbank aus. Foto: Presidency Press Service/AP

Die Türkei steckt schon länger in der Krise. Die Preissteigerungsrate ist auf 18 Prozent in die Höhe geschnellt. Jetzt hat die türkische Notenbank die Leitzinsen auf 24 Prozent angehoben. Bei der Lira hat dies einen Kurssprung ausgelöst.

Istanbul - Gegen den Widerstand von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat die türkische Zentralbank am Donnerstag die Leitzinsen deutlich angehoben und damit die Türkische Lira gestärkt. Die Währungshüter in Ankara erhöhten den Leitzins von 17,75 auf 24 Prozent, ein größerer Zinssprung als von vielen Experten erwartet. Kurz vor der Entscheidung hatte Erdogan erneut eine Zinssenkung gefordert und die Zentralbank kritisiert. Erdogans Einmischung in die Arbeit der nominell unabhängigen Zentralbank ist einer der Gründe für den Vertrauensverlust vieler Investoren und den Absturz der Lira gegenüber Dollar und Euro in den vergangenen Monaten.

Seit Jahresbeginn hat die türkische Währung rund 40 Prozent gegenüber dem Dollar verloren; unmittelbar nach der Zinsentscheidung zog der Kurs der Währung im Tagesvergleich um fünf Prozent an. Die Zentralbank hatte den Zinsschritt nach Vorlage der jüngsten Inflationszahlen vorige Woche angedeutet: Die Teuerungsrate von knapp 18 Prozent verstärkte den Ruf nach einer kräftigen Leitzinsanhebung. Im Juli hatte sich die Bank dem Druck Erdogans gebeugt und die Zinsen nicht erhöht. Während die meisten Volkswirtschaftler eine Zinsanhebung als Instrument zu Bekämpfung der Inflation betrachten, vertritt Erdogan die These, dass hohe Zinsen eine hohe Teuerung bedeuten. Wer behaupte, die Inflation sei der Grund und der Zinssatz die Folge, der habe keine Ahnung, sagte Erdogan in einer Rede. Der Zentralbank warf er vor, die eigenen Inflationsziele stets verfehlt zu haben. Der Präsident bezeichnet sich selbst als „Feind der Zinsen.“

Analyst zollt Zentralbank Respekt

Angesichts von Erdogans Machtfülle im neuen Präsidialsystem erforderte der Zinsbeschluss der Währungshüter einigen Mut. „Respekt“, schrieb der Analyst Timothy Ash auf Twitter. Es sei die „total richtige Entscheidung“ gewesen. Nun habe die Türkei eine Chance zur Überwindung der Krise. Manche Beobachter spekulierten, der Präsident habe mit seiner demonstrativen Ablehnung einer Zinserhöhung kurz vor der Entscheidung der Zentralbank die Schuld an einer eskalierenden Wirtschaftskrise den Währungshütern in die Schuhe schieben wollen. Höhere Zinsen für Kredite könnten die ohnehin verlangsamte Konjunktur abwürgen und eine Rezession auslösen.

Auch nach der Zinsanhebung steht Ankara vor schweren Problemen. Viele Anleger ziehen ihr Geld aus Schwellenländern wie der Türkei ab, weil in den USA die Zinsen wieder steigen. Dabei setzte Erdogan bisher auf billiges Geld und riesige Infrastrukturprojekte, um die Bauwirtschaft und andere Branchen anzukurbeln. Investoren kritisieren zudem, dass Erdogan immer mehr Machtbefugnisse an sich zieht. Diese Woche ernannte er sich selbst zum Chef eines staatlichen Fonds mit einem Volumen von 50 Milliarden Dollar, in dem Anteile der Regierung an Banken sowie an Unternehmen wie der Fluggesellschaft Turkish Airlines gebündelt sind. Auch Erdogans Schwiegersohn und Finanzminister Berat Albayrak sitzt im Vorstand.

Krisenanzeichen häufen sich

In der türkischen Wirtschaft häufen sich unterdessen die Krisenanzeichen. In Cankiri bei Ankara musste laut Medienberichten eine Keramikfabrik schließen, weil sie ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen konnte. Etwa 900 Arbeiter wurden in den unbezahlten Urlaub geschickt. Wenige Stunden vor der Entscheidung der Zentralbank hatte Erdogan per Dekret die Vermietung und den Verkauf von Immobilien in Dollar und Euro in der Türkei verboten. Auch alle bereits in einer ausländischen Währung abgeschlossenen Verträge müssen binnen 30 Tage auf Lira umgeschrieben werden. Damit will Erdogan die Lira stützen – es ist fraglich, inwieweit das Verbot durchgesetzt werden kann. In vielen türkischen Einkaufszentren müssen die Pächter die Miete häufig in harter Währung bezahlen. Auch auf dem privaten Wohnungsmarkt sind Mietzahlungen in Dollar und Euro weit verbreitet.