Deniz Yücel war über ein Jahr in türkischer Haft. Foto: dpa-Zentralbild

Der freigelassene Journalist Deniz Yücel hat sich nach seiner Entlassung aus türkischer Haft auf den Weg zum Flughafen gemacht. Er will die Türkei verlassen.

Berlin - Der freigelassene Journalist Deniz Yücel steht kurz vor der Ausreise aus der Türkei. Er sei auf dem Weg zum Flughafen in Istanbul, sagte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Freitag in Berlin. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) habe geholfen, „Türen aufzumachen in Istanbul“. Schröder sei zweimal dort gewesen.

Gabriel sprach in den Räumen der „Welt“, für die Yücel als Türkei-Korrespondent gearbeitet hat. Für den Auftritt an der Seite von Chefredakteur Ulf Poschardt und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner reiste der Minister kurzfristig von der Münchner Sicherheitskonferenz an.

Yücel sei frei, hatte die „Welt“ zuvor bei Twitter geschrieben. Yücels Anwalt Veysel Ok twitterte ein Bild des Journalisten, auf dem er seine Ehefrau Dilek Mayatürk Yücel umarmt. „Endlich!!! Endlich!!! Endlich!!! Deniz ist frei!“, hatte sie kurz zuvor bei Twitter geschrieben. Dahinter setzte sie ein Herz. Der „Welt“ zufolge wurde keine Ausreisesperre verhängt.

Wegen Terrorvorwürfen in Haft

Der Fall Yücel war zuletzt der größte, aber nicht einzige Streitpunkt im Verhältnis zur Türkei. Yücel hatte sich am 14. Februar 2017 freiwillig der Justiz gestellt und war kurz darauf wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft genommen worden - bis zum Freitag ohne Anklageschrift.

Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, das 32. Strafgericht in Istanbul habe die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft am Freitag angenommen. Die Staatsanwaltschaft fordere darin wegen „Propaganda für eine Terrororganisation“ und „Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit“ zwischen vier und 18 Jahre Haft. Zugleich habe das Gericht die Freilassung Yücels aus der Untersuchungshaft angeordnet, meldete Anadolu weiter.

Das ist kein unübliches Verfahren in der Türkei: Gerichte können zu Beginn eines Verfahrens oder auch davor die Freilassung von Verdächtigen aus der Untersuchungshaft verfügen. Aus türkischen Behördenkreisen hieß es, die Freilassung sei „vollständig nach rechtsstaatlichen Prinzipien“ erfolgt. „Es hat keinerlei politische Einmischung gegeben.“ Gabriel hatte zwei Mal geheim den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen, um eine Verfahrensbeschleunigung für Yücel zu erzielen. In Berlin sagte Gabriel: „Ich kann Ihnen versichern, es gibt keine Verabredungen, Gegenleistungen, oder, wie manche das nennen, Deals in diesem Zusammenhang.“

Erleichterung bei der Bundesregierung

Bundeskanzlerin Merkel sagte mit Blick auf Yücel in Berlin: „Ich freue mich natürlich für ihn, ich freue mich für seine Frau und die Familie, die ja ein sehr, sehr schwieriges Jahr der Trennung aushalten mussten“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte die Hoffnung, dass die Freilassung „Bedingungen schafft, die zu einer Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen führen“.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, es sei noch zu früh, um aus der Freilassung Schlussfolgerungen für das deutsch-türkische Verhältnis zu ziehen. Der Fall Yücel habe zwar eine besondere Bedeutung. Er sei aber „natürlich nicht das einzige Thema, wo es Dissonanzen gibt zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung.“

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sitzen noch fünf Deutsche aus politischen Gründen in der Türkei in Haft. Ihre Namen werden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt. Die Bundesregierung fordert ihre Freilassung.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, die Beziehungen zu Deutschland seien auf dem Wege der Besserung. „Es scheint, dass heute einige Probleme in den deutsch-türkischen Beziehungen der letzten Zeit gelöst wurden“, zitierte ihn Anadolu. Yildirim nimmt derzeit an der Münchner Sicherheitskonferenz teil. Beide Seiten würden nun gemeinsam Schritte unternehmen, um ihre Beziehungen zu verbessern. „So Gott will, werden sie besser werden.“

Weitere Menschen in der Türkei aus politischen Gründen inhaftiert

Merkel erinnerte aber an die Menschen, die in der Türkei weiter aus politischen Gründen inhaftiert sind. „Wir wissen, dass es noch weitere, vielleicht nicht ganz so prominente Fälle von Menschen gibt, die in türkischen Gefängnissen sind. Und auch für sie erhoffen wir eine schnelle Behandlung der Rechtsverfahren und Rechtsstaatlichkeit.“

Unter den Inhaftierten sind auch viele Journalisten. So wurden am selben Tag, an dem Yücel freikam, die türkischen Journalisten Mehmet und Ahmed Altan sowie Nazli Ilicak zu lebenslanger Haft wegen angeblicher Nähe zu dem Prediger Gülen verurteilt. Der in den USA im Exil lebende Gülen wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich gemacht.