Bundestagspräsident Norbert Lammert. Foto: dpa

Bundestagspräsident Norbert Lammert findet deutliche Worte zum geplanten Verfassungsreferendum in der Türkei. Er wirft der Regierung in Ankara vor, das demokratische System des Landes in ein autoritäres umzuwandeln.

Berlin - Zum Auftakt des türkischen Verfassungsreferendums in Deutschland hat Bundestagspräsident Norbert Lammert der türkischen Führung einen Putschversuch gegen die Demokratie vorgeworfen. Was Präsident Recep Tayyip Erdogan und die türkische Regierung planten, sei die „Umwandlung einer zweifellos fragilen, aber demokratischen Ordnung in ein autoritäres System“, sagte Lammert am Montag bei einer Veranstaltung der Linksfraktion im Bundestag.

Nach dem gescheiterten Militärputsch im vergangenen Sommer verfolge Erdogan nun die „systematische Aushebelung“ des politischen Systems und putsche damit gegen die eigene Verfassungsordnung. „Dieser zweite Putschversuch droht erfolgreich zu sein“, sagte Lammert.

Der CDU-Politiker kritisierte die „ebenso denkwürdige wie unbegreifliche Zustimmung eines Parlaments zu seiner Entmachtung“. Das gehöre „zu den beispiellosen Vorgängen der jüngeren Geschichte“. Die Erlaubnis für die Durchführung des Referendums in Deutschland nannte er „eine ziemlich steile Versuchsanordnung“. Er betonte aber, dass eine gegenteilige Entscheidung Erdogan in die Hände gespielt hätte.

Verfassungsreform wäre „demonstrative Abwendung“

Zu Erdogans Ankündigung, es könnte nach dem Verfassungsreferendum ein weiteres Referendum über die EU-Beitrittsverhandlungen geben, sagte Lammert: „Dieses zweite Referendum scheint mir allerdings verzichtbar.“ Denn schon die Durchsetzung der Verfassungsreform wäre „die demonstrative Abwendung von einer europäischen Zivilisation“.

Bei der von Erdogan geplanten Verfassungsreform geht es um eine starke Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten. In Deutschland sind bei dem Verfassungsreferendum rund 1,4 Millionen Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen - mehr als in jedem anderen Land außerhalb der Türkei. Die Abstimmung in Deutschland begann am Montag und dauert bis zum 9. April. In der Türkei wird am 16. April abgestimmt.