Nicht immer ist der Neckar so ruhig. Am Tag des Stockerkahnunfalls Anfang August war die Strömung stark und es ging ein heftiger Wind. Foto: picture alliance/dpa/Marijan Murat

Drei Freunde werden im Tübinger Rathaus geehrt, weil sie bei einem Stocherkahnunfall zu Hilfe kamen.

Tübingen - Es hätte eine Nostalgiefahrt auf dem Neckar werden sollen – und endete in einem großen Hilfseinsatz mit mehreren Menschen in Lebensgefahr. Eine Gruppe von neun Senioren, die einst alle in den 1960er Jahren in Tübingen studiert hatten, trafen sich Anfang August zu einer Stockerkahnfahrt in Tübingen. Die Männer und Frauen im Alter zwischen 78 und 86 Jahren waren auf dem Wasser unterwegs, als bei einem Wendemanöver der Stocherkahnführer unfreiwillig von Bord ging. Dramatisch wurde die Situation, als der Kahn immer näher ans Stauwehr trieb und die ersten Senioren in den Fluss sprangen, um sich zu retten – die extrem starke Strömung und ein heftiger Westwind an jenem Sonntagnachmittag erforderten ein schnelles Handeln.

Schnell bis auf die Shorts ausgezogen

Gehandelt haben Paul Zimmerman, Jakob Simminger und Benedikt Reiner, besser gesagt: sie sind gesprungen. Die drei Freunde sind am Mittwoch im Tübinger Rathaus für ihr beherztes Vorgehen geehrt wurden. Sie hätten viel riskiert und eine Katastrophe verhindert, dankt Sozialbürgermeisterin Daniela Harsch den Rettern. Vom Ufer aus hatten die drei 28-Jährigen den Neckar im Blick. Sie tranken auf einer Bank ein Bier, als sie Hilferufe hörten. Erst hätte die Besatzung versucht anzulegen, doch dann driftete das Boot in Richtung der Turbinen des Wehrs ab. Da hatten sich die drei schon ausgezogen. „Wir standen in Boxershorts am Ufer“, erzählt Simminger, „dann sind wir gesprungen.“

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Das Trio teilte sich auf. Einer half drei Senioren, die sich ins Wasser gewagt hatten, an Land zu kommen, einer kümmerte sich um eine ältere Dame, die wegen der Strömung nicht vorwärts kam und sicherte sie an einem Rettungsring, der ihnen zugeworfen worden war. Und der dritte, Benedikt Reinert, kletterte in das Holzboot. „Ich konnte einem Mann im Wasser in einen Rettungsring helfen“, erinnert er sich. Eine Frau im Kahn hätte Panikschübe gehabt, zwei weitere Senioren seien ganz entspannt gewesen, erzählt der Tübinger Student. Glücklicherweise habe eine Spaziergängerin einen Notruf abgesetzt, sodass alsbald Dutzende Helfer der Feuerwehr, des Roten Kreuzes und der Polizei vor Ort eintrafen.

Retter waren selbst in Gefahr

Nicht ungefährlich sei gewesen, was die Retter gemacht hätten, kommentiert der Tübinger Feuerwehrkommandant Michael Oser den Einsatz so nah am fünf Meter hohen Stauwehr. „Es war aber mit Sicherheit das Richtige.“ Viele nähmen lieber ein Handy in die Hand, um zu filmen anstatt zu reagieren. „Respekt für Ihre Leistung.“

Wie sich künftig solche Unglücke vermeiden lassen können, darüber hätte sich die Verwaltung einige Gedanken gemacht, sagt Sozialbürgermeisterin Harsch. Es reiche nicht, nur den Pegelstand zu betrachten, auch die Durchflussgeschwindigkeit am Wehr sei entscheidend. „Eine einfache Lösung gibt es leider nicht.“