Boris Palmer lockt Scharen von Menschen in die Glockenkelter. Foto: Eva Herschmann

Der grüne Oberbürgermeister aus Tübingen, Boris Palmer, teilt in der Glockenkelter Stetten nach rechts und links aus. Er kritisiert die AfD ebenso wie die CDU.

Kernen - Boris Palmer hat mitten in der Veranstaltung von Allmende Stetten ein Video von der bis auf den letzten Platz gefüllten Glockenkelter aufgenommen. Das stelle er auf seine Facebook-Seite, erklärte der grüne Oberbürgermeister mit einem Grinsen zu den mehr als 200 Zuhörern. „Das ist für die Tübinger, die sagen, den will keiner sehen, und für meine Parteifreunde, die meinen, ich bin isoliert.“

Boris Palmer hat am Mittwoch gleichmäßig nach rechts und links ausgeteilt. Und in Richtung seiner Kritiker, die ihm „braune Soße“ anhängen wollen, seitdem sein für Aufsehen und Aufregung sorgendes Buch „Wir können nicht allen helfen“ im Herbst 2017 erschienen ist. Darin berichtet der Tübinger OB über konkrete Erfahrungen vor Ort mit der Flüchtlingskrise. Er geht hart ins Gericht mit der Haltung der Kanzlerin und ihrem Ausspruch „Wir schaffen das“ vom August 2015.

Die AFD-Leute nennt Boris Palmer „Grasdackel“ und „Weltverschwörer“

„Aber wir können nicht allen helfen bedeutet nicht, ich will niemandem helfen“, so Palmer. Dass die Bundesregierung die Kommunen bei der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge weitgehend im Stich lasse, belegte Palmer mit praktischen Beispielen. Etwa, wenn weidende Schafe oder Tennisplätze Wohnungsbau verhindern, obwohl das Blöken der Wollelieferanten und tierischen Rasenmäher sowie das Ploppen von Bällen wohl kaum einen Flüchtling gestört hätte.

Die AFD-Leute nannte er derweil „Grasdackel“ und „Weltverschwörer“ – und ähnelte in diesem Moment mit seiner drastischen Wortwahl einer zeitgemäßen Ausgabe seines verstorbenen Vaters. Helmut Palmer war schließlich weithin bekannt als der Remstalrebell, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Etwas diplomatischer ist der Sprössling dann doch, denn er fügte hinzu: „Auch wenn sie völlig inkompetent sind, haben sie zu manchen Dingen etwas zu sagen, das man sich anhören sollte.“

Immer wieder appellierte er, in der Debatte über die Flüchtlinge Religion und Moral außen vor zu lassen. „Wir kommen nicht weiter, wenn wir uns gegenseitig schonen und nicht die Wahrheit sagen.“ Mit Glück seien in sieben Jahren 50 Prozent der Flüchtlinge in Arbeit, aber es blieben vielleicht auch 30 Prozent dauerarbeitslos, sagte Boris Palmer.

Ironie pur streut Palmer über die CDU aus

Auf die Frage nach der Gefahr einer „Vermännlichung der Gesellschaft“, bekannte er sich, zur Gruppe derer zu gehören, die fordern, dass sich die Geflüchteten, vor allem die Männer, an die hiesigen Gepflogenheiten im Umgang der Geschlechter anpassen müssen. Und er wetterte gegen einige seiner grünen Parteifreunde, die Männer aus patriarchischen Gesellschaften als „vulnerable Gruppe“ bezeichneten, die besonders geschützt werden müssten. Egal, woher jemand komme oder was er sei, es gebe keinen Rabatt, sagte Palmer und ergänzte: „Wir Männer sind darauf angewiesen, dass uns die Frauen irgendwie zivilisieren.“ Ironie pur streute er über die CDU aus. „Was brauche ich die, wenn sie nicht mal mehr das Thema offene Grenzen im Sommer 2015 bearbeitet.“ Dass es eine Obergrenze geben muss, das sagte er zudem. Integration setze menschliche Beziehungen voraus: „Das begrenzt automatisch die Zahl.“

Er sei im Herzen Grüner und Klimapolitiker, sagte er. „Und nichts von dem, was ich gesagt habe, steht im Widerspruch zu meiner Partei.“ Die Zuhörerschaft in Stetten, darunter viele Fellbacher und Remstäler, hat er öfter mit seinen Aussagen gespalten. Das war hörbar am Applaus, der mal von der einen, mal von der anderen Seite kam, mal mehr, mal weniger intensiv.

Es gab auch Statements, die von allen Beifall bekamen. „Die Oben-Unten-Politik zerreißt eine Gesellschaft“, etwa. Oder Palmers Forderung, die Gründe der weltweiten Fluchtbewegungen zu bekämpfen: „Wir müssen faire Handelsbedingungen schaffen, Schluss mit Rüstungsexporten machen und Ernst mit dem Klimaschutz.“