Diagnose: Tuberkulose – in Baden-Württemberg sind auch Strafvollzugsbedienstete betroffen. Foto: dpa

Tuberkulose-Erkrankungen treten in Baden-Württemberg wieder häufiger auf – auch in Gefängnissen. Weil das Vollzugspersonal nicht selten nah an infizierte Häftlinge ran muss, erhöht sich deren Ansteckungsrisiko. Doch wie geht das Land damit um?

Stuttgart - Lange sanken die Tuberkulose-Zahlen in Baden-Württemberg. Doch seit einem sprunghaften Anstieg 2015 bewegen sich die gemeldeten Erkrankungen im Südwesten wieder auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Das Landesgesundheitsministerium begründet dies mit den hohen Zuwanderungszahlen aus Herkunftsländern, in denen Tuberkulose noch häufig auftritt.

Weil seither auch der Anteil ausländischer Gefangener zugenommen hat, waren die Tuberkulose-Fallzahlen hinter Gittern zuletzt ebenfalls deutlich höher als noch vor fünf Jahren. Wie das Justizministerium auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte, gab es 2012 und 2013 je neun Neuinfektionen bei Gefangenen, 2014 waren es lediglich acht. In den Jahren 2015 (22 Fälle) und 2016 (17 Fälle) erhöhte sich deren Zahl deutlich. Die Auswertung für das vergangene Jahr liegt noch nicht vor. Der Anstieg sei wahrscheinlich auf den vermehrten Zugang von Gefangenen aus Regionen mit hohem Tuberkuloseaufkommen zurückzuführen, etwa aus dem osteuropäischen, asiatischen und afrikanischen Raum, sagte ein Ministeriumssprecher.

Inbukationszeit beträgt sechs bis acht Wochen

Doch was bedeutet das für das Personal im Justizvollzug? Zwar werden die Haftzugänge von einem Arzt untersucht, wenn sie neu in eine Justizvollzugsanstalt (JVA) kommen. Stellt er bei einem Häftling eine offene Tuberkulose fest, wird er umgehend eine spezialisierte Abteilung des Justizvollzugskrankenhauses verlegt. Allerdings ist damit nicht garantiert, dass Häftlinge den Erreger zwar bereits in sich tragen, die Tuberkulose aber erst später ausbricht.

Die Inkubationszeit, also die Dauer zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit, beträgt für gewöhnlich sechs bis acht Wochen. Ist eine Tuberkulose also ein neues Berufsrisiko für Justizvollzugsbedienstete?

Infektionskrankheiten: Berufsrisiko oder nicht?

Im vergangenen Jahr gab es drei Fälle, in denen nach Informationen unserer Zeitung die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass Beamte sich bei Häftlingen mit der bakteriellen Krankheit infiziert haben.

Wie das Justizministerium auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte, wurden alle drei Fälle seitens des Landes jedoch nicht als Berufskrankheit anerkannt. Es gab demnach auch kein sogenanntes Fürsorgeverfahren mit unmittelbarer Kostenübernahme. Die privatversicherten Beamten mussten die teuren Behandlungskosten erst mal vorstrecken, ehe sie sie erstattet wurden. Das Problem ist: Um eine Anerkennung als Berufskrankheit zu erreichen, hätten die Bediensteten nachweisen müssen, dass sie sich im Dienst – und nicht woanders – mit der Tuberkulose infiziert haben. Im Fall einer Tröpfchen-Übertragung – wie bei einer Tuberkulose – ist das allerdings kaum möglich.

Gespräch zwischen Ministerium und Gewerkschaft

Nach den gesetzlichen Vorgaben des Landesbeamtenversorgungsgesetzes werden Infektionskrankheiten wie die Tuberkulose nur anerkannt, wenn der Beamte in seinem Dienst der Gefahr einer Erkrankung besonders ausgesetzt war – zum Beispiel, weil er auf einer Krankenstation tätig war. Dies war bei den drei Fällen nach Informationen unserer Zeitung nicht der Fall. Jenseits davon kommt eine Anerkennung als Berufskrankheit nach einschlägiger Rechtsprechung zudem in Betracht, wenn im Einsatzbereich der Justizvollzugsbeamten eine Infektionserkrankung geballt auftritt. Auch das war nicht der Fall, weil sich die drei Fälle auf zwei Gefängnisse im Südwesten – nach Informationen unserer Zeitung Stammheim und Mannheim – verteilten.

Glücklich scheinen mit den Bestimmungen weder die Bediensteten noch der Dienstherr selbst, das Land, zu sein. Justizminister Guido Wolf (CDU) und auch der Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BDSB), Alexander Schmid, wiesen auf Anfrage unserer Zeitung darauf hin, dass das Thema bei ihrem nächsten Treffen bereits auf der Tagesordnung stehe. Inhaltlich wollten sie dem nicht vorgreifen. Minister Wolf betonte allerdings: „Wir nehmen die Anliegen unserer Vollzugsbediensteten, die unter schwierigen Bedingungen hervorragende Arbeit leisten, sehr ernst.“ Selbstverständlich sei deshalb das Ziel, gemeinsam mit den Beschäftigtenvertretungen „zu einer befriedigenden Lösung“ zu kommen.