Die Handelsschranken zur USA sollen mit TTIP fallen, meint die Landesregierung, nicht aber die Umwelt- und Verbraucherstandards Foto: dpa

Viele Grüne und Sozialdemokraten sagen entschieden Nein zu TTIP. Ihre Regierungsvertreter denken jedoch an die Wirtschaft und sagen prinzipiell Ja, wollen dem Abkommen im Bundesrat jedoch keinen Blankoscheck ausstellen.

Stuttgart - Die Landesregierung erwartet sich vom geplanten Freihandelsabkommen TTIP einen besseren Zugang baden-württembergischer Unternehmen zum US-Markt. Der Abbau von Handelshemmnissen wie etwa unterschiedliche technische Standards oder überflüssiger Tests sei deshalb richtig, heißt es in einem Positionspapier, das am Dienstag verabschiedet wurde.

Die meisten der 21 Punkte formulieren jedoch Bedingungen, um die europäischen Standards beim Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz zu sichern. „Freihandel ist wichtig, aber kein Selbstzweck“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er geht davon aus, dass auch Bundestag und Bundesrat dem Abkommen zustimmen müssen, und kündigte an, man werde TTIP „keinen Blankoscheck ausstellen“.

Von „überragender Bedeutung“ sei die Frage, welche Mechanismen greifen, wenn es zum Streit zwischen einem Investor und einem Land kommt. Dass die Rolle von Schiedsgerichten gestärkt werden soll, hält Grün-Rot für falsch, denn diese bereits in der EU praktizierten Verfahren seien intransparent.

"Keine privatisierte Paralleljustiz"

„Wir setzen uns dafür ein, dass es zu keiner privatisierten Paralleljustiz kommt, welche die Gesetzgebungskompetenz von Staaten aushebeln kann“, sagte Europaminister Peter Friedrich. Schiedsgerichte müssten vielmehr von international legitimierten Handelsgerichten abgelöst werden, die mit unabhängigen, staatlich finanzierten Berufsrichtern besetzt seien. Diese müssten auch über eine Berufungsinstanz verfügen und öffentlich sein.

Baden-Württemberg ist derzeit selbst in ein solches Schiedsgerichtsverfahren verwickelt: Das Land klagt seit 2012 vor der Internationalen Handelskammer (Paris) gegen den französischen Energiekonzern EdF, weil es sich beim Kauf der EnBW-Aktien über den Tisch gezogen fühlt. Der Preis für die Aktien, so der Vorwurf, sei viel zu hoch gewesen. Wann das Schiedsgericht, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt, zu einem Urteil kommt, ist Regierungskreisen zufolge noch nicht abzusehen.

Der baden-württembergische Industrie- und Handelskammertag verteidigte hingegen am Dienstag die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Von den bisherigen Regelungen hätten die hiesigen Unternehmen in den letzten Jahrzehnten immer wieder profitiert. Man habe deshalb kein Verständnis für die Absicht, diese Verfahren ablösen zu wollen.

Profitiert Baden-Württemberg vom Freihandel?

Für bedenklich halten die Kammern auch die Haltung, dass der Staat auf zahlreichen Feldern der bessere Unternehmer sei. Dabei geht es unter anderem um die sogenannte öffentliche Daseinsvorsorge, das ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Wasser, Energie, Müllabfuhr, Bildung bis hin zur Gesundheitsvorsorge. Die Landesregierung hält es für notwendig, diese Leistungen „vollumfänglich vom Anwendungsbereich der TTIP auszunehmen“, heißt es in dem Positionspapier. Es dürfe keinen direkten oder indirekten Druck auf eine weitere Liberalisierung geben.

Besondere Interessen sieht die Landesregierung auch auf den Feldern Landwirtschaft sowie Kultur und Medien berührt. Sie begrüßt die geplanten Sonderregelungen für die Filmwirtschaft (das Kulturgut Film ist vom Verhandlungsmandat ausgenommen), fordert aber, bei gewissen Streitfragen die Länder mit einzubeziehen. Die kleinräumige europäische Landwirtschaft wiederum dürfe in den Verhandlungen nicht zur Disposition stehen. „Damit weiß jeder, wo wir stehen“, so Kretschmanns Fazit. Er will jetzt einen Beirat einrichten, in dem Vertreter von Verbänden, Kommune und Hochschulen das Land mit Blick auf TTIP beraten.

CDU-Landeschef Thomas Strobl forderte Kretschmann auf, „glasklar im Sinne Baden-Württembergs“ zu handeln. Er dürfe sich nicht seinen Berliner Parteifreunden unterwerfen. Denn Baden-Württemberg profitiere wie kaum eine andere Region in Europa vom Freihandel. Strobl: „Ein grundsätzliches Ja mit einem Rattenschwanz von Bedenken und Einschränkungen atmet nicht gerade diesen Geist.“