Ein schweres Erdbeben hat Haiti erschüttert. Foto: AFP/JOAQUIN SARMIENTO

Haiti wird immer wieder von Krisen geplagt. Nun hat die Erde massiv gebebt. Erst langsam wird das Ausmaß der Schäden sichtbar. Manche Behörden ziehen Vergleiche zum Horror-Beben von 2010.

Cap-Haïtien - Ein schweres Erdbeben der Stärke 7,2 hat am Samstagmorgen den Süden des Karibikstaates Haiti erschüttert. Dabei kamen mindestens 29 Menschen ums Leben, wie das „Haitian Press Network“ unter Berufung auf den Zivilschutz berichtete. Das Beben hatte sich gegen 8.30 Uhr etwa 125 Kilometer westlich der Hauptstadt Port-au-Prince in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Es weckt Erinnerungen an das verheerende Erdbeben im Jahr 2010, das mehr als 200 000 Menschenleben gefordert hatte. Interims-Premierminister Ariel Henry sprach von einer „dramatischen“ Situation und rief zu Solidarität auf.

Den Berichten zufolge kamen 17 Menschen im südwestlichen Department Grand-Anse und 12 im Department Sud ums Leben. Unter den Toten war auch der ehemalige Senator Jean Gabriel Fortuné, der nach Informationen des Onlineportals „Gazette Haiti“ in der Stadt Cayes unter den Trümmern seines Hotels begraben wurde. In der Stadt Aquin kamen zwei Kinder im Alter von sieben und neun Jahren ums Leben.

Große Zerstörung

Viele Gebäude wurden zerstört, wie auf Fotos und Videos in sozialen Netzwerken zu sehen war. Menschen seien unter den Trümmern begraben, berichtete ein Augenzeuge aus Les Cayes, einer der größten Städte des Landes, dem „Haiti Press Network“. Bewohner des Departments Nippes, in dem das Epizentrum des Bebens lag, sendeten laut „Gazette Haiti“ einen SOS-Ruf an die Behörden, weil die Krankenhäuser überlastet seien.

Interims-Premierminister Henry bezeichnete die Situation auf Twitter als „dramatisch“ und kündigte an, die Regierung werde den Notstand ausrufen. Er rief alle Haitianer zu einem „Geist der Solidarität und des Engagements“ auf.

Der Nationale Wetterdienst der USA (NOAA) hatte nach dem Beben zunächst eine Tsunami-Warnung herausgegeben - hob diese aber kurze Zeit später wieder auf. Die US-Behörde USGS rief mit Blick auf mögliche Todesopfer die Alarmstufe Rot aus: Das bedeutet, dass eine hohe Opferzahl möglich ist. Sie zog Parallelen zu dem verheerenden Beben von 2010, das die Stärke 7,0 erreicht hatte. Dieses habe sich nur rund 75 Kilometer östlich auf derselben Halbinsel ereignet.

Nachbeben erschüttern Haiti

Im weiteren Verlauf des Samstags wurde Haiti von mehreren Nachbeben erschüttert, die nach USGS-Angaben Stärken bis zu 5,2 erreichten. Die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) schrieb auf Twitter, Experten für Katastrophen seien vor Ort, um die Schäden zu beurteilen.

Die Landesdirektorin der Welthungerhilfe für Haiti, Annalisa Lombardo, sagte der Deutschen Presse-Agentur, man versuche in Erfahrung zu bringen, wie viele Menschen betroffen seien. Es sei klar, dass es erhebliche Schäden an Gebäuden gebe. In der Hauptstadt Port-au-Prince, wo Lombardo sich aufhielt, hätten zwar die Wände ihres Hauses stark gewackelt. Größere Schäden habe das Erdbeben in der Hauptstadt aber wohl nicht angerichtet.

Lombardo rechnete damit, dass es bei der Versorgung von Opfern auch Probleme wegen der Infrastruktur geben wird. Der Weg aus Port-au-Prince führe durch eine Gegend, die von Gangs kontrolliert werde. Diese würden auf vorbeifahrende Autos schießen. Offenbar sei auch eine Brücke beschädigt worden, die zur Versorgung der Menschen gebraucht werde.

Das Epizentrum des Erdbebens von 2010 lag nahe der dicht besiedelten Hauptstadt Port-au-Prince. Damals starben rund 222 000 Menschen, mehr als 300 000 wurden verletzt. Mehr als eine Million Menschen verloren ihr Zuhause. Die Schäden durch das Beben wurden auf 8 Milliarden US-Dollar (6,2 Milliarden Euro) geschätzt. Der Wiederaufbau kam auch durch die politische Instabilität nur schleppend in Gang.

Der bitterarme Karibikstaat Haiti wird immer wieder von schweren Beben heimgesucht. Zuletzt stürzte eine politische Krise das Land weiter ins Chaos. Im Juli war Haitis Präsident Jovenel Moïse ermordet worden. Er wurde in seiner Residenz von einer schwer bewaffneten Kommandotruppe überfallen und erschossen.