Heute zu Gast bei Angela Merkel in Berlin: Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras. Foto: EPA

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras kommt zum Antrittsbesuch nach Berlin. Die SPD vermisst bei der linksradikalen Regierung weiter einen echten Reformwillen.

Athen - Es ist schon lange her: 1956 begann der Deutsche Gewerkschaftsbund eine Kampagne zur Einführung der Fünf-Tages-Woche unter dem Motto „Samstags gehört Vati mir“. Ziel war eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden – bei einem freien Wochenende wohlgemerkt.

Knapp 60 Jahre später können sich das ausgerechnet die beiden kleinen Söhne eines Griechen abschminken. Der Name ihres Vaters: Alexis Tsipras. Dass dies so ist, liegt nicht zuletzt daran, dass der griechische Premier 57 Tage nach seinem Wahltriumph am heutigen Montag in Berlin von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen wird.

Am Wochenende hatte in der Villa Maximos, Tsipras’ Amtssitz in Athen, eine Sitzung die andere gejagt. Allein die am Samstag dauerte mehr als fünf Stunden. Daran nahmen neben Tsipras auch der Vizepräsident der Regierung, Jannis Dragasakis, Finanzminister Yanis Varoufakis, der für Wirtschaftsfragen im Athener Außenministerium zuständige Vize-Minister Efkleidis Tsakalotos sowie die Athener Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou teil. Einziges Thema: die Reformliste vervollständigen, die Tsipras Griechenlands öffentlichen Kreditgebern, also der EU, der Europäischen Zentralbank sowie dem Internationalem Währungsfonds, bis Ende der Woche vorzulegen hat.

Die Reformliste werde substanziell überarbeitet, hieß es am Wochenende aus Athener Regierungskreisen. Am heutigen Montag wolle Tsipras Merkel jedoch lediglich einen Entwurf dieser zu überarbeitenden Reformliste präsentieren und sie mit ihr allenfalls „grob“ erörtern. Offenbar will die linksradikal-rechtspopulistische Regierung nicht den Eindruck entstehen lassen, Berlin sei in der Euro-Zone im Allgemeinen und speziell in der Causa Hellas der einzige Entscheider. Tsipras’ Credo lautet deshalb: Deutschland ist zwar mächtig, aber die EU hat schließlich noch 27 andere Mitglieder.

"Ich erwarte eine vollständige Liste mit Reformen"

Dies sieht SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann anders. „Tsipras hat angekündigt, eine vollständige Liste präziser Reformen vorzulegen. Ich erwarte, dass er diese Liste beim Gespräch mit Kanzlerin Merkel am Montag vorlegt. Ich will endlich wissen, ob Griechenland zu echten Reformen bereit ist oder nicht.“ Tsipras müsse wissen, dass das, was er vorlege, auch belastbar sein müsse, sagte Oppermann am Sonntag.

Nach Informationen aus Athener Regierungskreisen umfasst die überarbeitete Reformliste die Bekämpfung der Steuerhinterziehung einschließlich der Reform des Steuersystems, der öffentlichen Verwaltung und des Rentensystems sowie die Verwertung des Staatsbesitzes. Konkret sollen existierende Vorruhestandsregelungen abgeschafft und gesetzliche Versicherungskassen zusammengelegt werden.

Der Staat soll im Zuge der Privatisierung von Staatsbesitz aber eine „strategische Rolle“ behalten. Außerdem will Tsipras Lösungen für den Umgang mit faulen Bankkrediten präsentieren. Konkret geht es um Zahlungserleichterungen für Schuldner. Auch dies hält Athen tatsächlich für eine ernst zu nehmende Reform.

Tsipras sagte vor seinem Besuch in Berlin der konservativ-liberalen Athener Zeitung „Kathimerini“ am Sonntag: „Jetzt heißt es zu arbeiten, hart zu arbeiten. Wir verhandeln (mit den Institutionen, früher Troika), aber zugleich regieren wir. Wir diskutieren, aber zugleich verabschieden wir Gesetze.“ Sein Besuch in Berlin böte zudem die Gelegenheit, „die bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland aufzuwerten“. Tsipras wird wohl im Dauerstress bleiben. Verschnaufpausen oder Zeit für die Familie sind für ihn wohl weiter Utopie – auch an den Wochenenden.