Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras setzt während seines Besuchs bei Angela Merkel in Berlin auf versöhnliche Töne. Foto: Getty Images Europe

Griechenlands Ministerpräsident Tsipras muss erkennen, dass auch neu gewählte Regierungen Verpflichtungen nicht ignorieren können, die ihre Vorgängerinnen eingegangen sind, meint unser Berliner Korrespondent Holger Möhle. Die Euro-Zone sei kein großer Spielplatz, auf dem je nach Laune jeden Tag aufs Neue die Entscheidung fällt, nach welchen Regeln gespielt wird.

Berlin - Alexis Tsipras weiß , dass die Partner der Euro-Zone sein Land nicht fallenlassen wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den griechischen Regierungschef bei seinem Antrittsbesuch am Montag in Berlin wissen lassen, dass der Ausstieg Griechenlands aus dem Währungsverbund politisch definitiv nicht gewollt ist. Tsipras darf dies als Vertrauensbeweis und Unterstützung werten. Darin steckt aber auch die Erwartung , den wohlformulierten Schreiben an die europäischen Partner und Institutionen endlich konkrete Reformen folgen zu lassen

Inzwischen müssen Tsipras und Finanzminister Gianis Varoufakis erkennen, dass auch neu gewählte Regierungen Verpflichtungen nicht ignorieren können, die ihre Vorgängerinnen eingegangen sind. Außerdem ist die Euro-Zone kein großer Spielplatz, auf dem je nach Laune jeden Tag aufs Neue die Entscheidung fällt, nach welchen Regeln gespielt wird.

Ob höhere Mehrwertsteuer, Steuern auf Alkohol und Tabak, späteres Renteneintrittsalter oder eine letzte Chance für Inhaber von Schwarzgeld-Konten, reinen Tisch zu machen – die griechische Regierung hat die Gelegenheit, die Halbherzigkeit ihrer Vorgängerinnen zu überwinden. An ihr liegt es, Realitäten anzuerkennen. Und sie muss lernen, dass die Euro-Schuldenkrise und Reparationsforderungen für Verbrechen aus dem Zweiten Weltkrieg nichts miteinander zu tun haben.

Deutschland ist dabei weder Lehr- noch Zahlmeister, genauso wenig wie Griechenland an den Pranger gehört. Staaten haben Interessen. Und Staaten haben Pflichten. Es geht um mehr als um das deutsch-griechische Verhältnis. Es geht um Europa.