Donald Trump redet mit vollem Einsatz – sein Vize Mike Pence zeigt sich wie meist amüsiert. Foto: Pool Getty Images/AP

Mit viel Pathos und Patriotismus, aber ohne große Details hält Donald Trump seine Regierungserklärung. Obwohl er Optimismus verbreiten will, könnte seine Rede die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft weiter vertieft haben.

Washington - Die Frau in der VIP-Loge des amerikanischen Repräsentantenhauses weiß, dass alle Kameras auf sie gerichtet sind, als sie lächelnd die Ehrengäste zur feierlichen „State of the Union“-Ansprache begrüßt. Entgegen der Tradition ist Melania Trump an diesem besonderen Tag nicht in der Limousine des Präsidenten angereist. Es ist ihr erster öffentlicher Auftritt seit dem Bekanntwerden der angeblichen Affäre ihres Mannes mit einem Pornostar kurz nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Barron.  

Die 47-Jährige trägt einen strahlen weißen Hosenanzug von Christian Dior zur hellen Bluse von Dolce & Gabbana. Die Auguren werden später bemerken, dass die Modeschöpfer keine Amerikaner waren und die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton ein ähnliches Outfit zur Amtseinführung von Donald Trump trug – eine stille Botschaft Melanias?

Reichlich Pathos, viel Patriotismus

Unten vor den Vertretern beider Häuser des amerikanischen Kongresses ist der Redner offensichtlich begeistert. Formal preist Donald Trump zu Beginn seiner 80-minütigen Rede den Zustand des Landes, das von einer „neuen Welle des Optimismus“ getragen werde. Doch eigentlich meint der Präsident sich selbst, wenn er die vermeintlichen Erfolge vom Höhenflug der Aktienkurse über die Steuerreform bis zum neuen Stolz auf die amerikanische Flagge aufzählt.

„Dies ist unser amerikanischer Augenblick. Es hat nie eine bessere Zeit gegeben, um den Amerikanischen Traum zu leben“, behauptet er. Die Redenschreiber im Weißen Haus unter Leitung des ultrarechten Nationalisten Stephen Miller haben Wochen an dem Manuskript gefeilt, das Trump nun Wort für Wort abliest.

Es ist eine Mischung aus reichlich Pathos, viel Patriotismus und eher versteckter Programmatik. Durch das Ablesen vermeidet der impulsive 71-Jährige unbedachte Äußerungen, doch sein monotoner, bisweilen hölzerner Vortrag, bei dem nach jedem Satz eine Pause für Beifall eingelegt wird, wirkt streckenweise blutleer.

Seine Vorhaben zählt Trump ohne große Details auf

Was dem Präsidenten fehlt, soll durch die Inszenierung wettgemacht werden. Jedes Thema wird durch die Vorstellung beispielhafter Gäste im Publikum illustriert. Trump begrüßt eine Angehörige der Küstenwache , die nach dem Hurrikan Irma Menschenleben rettete, die Eltern eines Mädchens, das von einer lateinamerikanischen Bande ermordet wurde und einen Polizisten, der das Baby einer Heroinabhängigen adoptierte. Sie alle verkörpern das Herz jenes Amerikas, das Trump eindringlich beschwört: „Alle von uns zusammen, als ein Team, ein Volk und eine Familie.“  

Auf dem Papier ist das eine weite Entwicklung für einen Präsidenten, der in seiner Antrittsrede das „amerikanische Gemetzel“ in schwärzesten Farben beschrieb. Dieses Mal will Trump Optimismus verbreiten und den Zusammenhalt der Gesellschaft beschwören. Eher kursorisch zählt er seine Vorhaben auf: ein 1,5 Billionen Dollar teurer Infrastrukturplan, über dessen Details und Finanzierung er kein Wort verliert. Ein Einwanderungsgesetz, das den Kindern illegaler Migranten einen Pfad zur Staatsbürgerschaft eröffnet, gleichzeitig aber den Bau der 25 Milliarden Dollar teuren Grenzmauer zu Mexiko sichert und den Familiennachzug halbiert. Und den Kampf gegen die Suchtkrise, den er seit knapp einem Jahr verkündet.

Guantanamo soll offen bleiben

Außer der Entscheidung, das Gefangenenlager Guantanamo offenzulassen, ist inhaltlich wenig überraschend in dieser Rede. Neu ist allerdings, dass Trump die oppositionellen Demokraten zur Zusammenarbeit aufruft. Doch je länger Trump redet, desto mehr überlagern die düsteren Beschreibung von Kriminalität, feindlichen Regimen und Terrorgefahren den hoffnungsfrohen Grundton. Die Botschaft der nationalen Einheit wird konterkariert, als Trump die Arbeitsmigranten mit Drogenhändlern und Mörderbanden in einem Atemzug nennt und verspricht, den „Kettennachzug“ von Angehörigen zu beenden. „Unglücklicherweise hat die Rede die Spaltung vertieft, statt uns näher zusammenzubringen“, moniert der Senats-Oppositionsführer Chuck Schumer.  

Auch Melania Trump kam von jenseits der Grenzen in die USA und holte ihre Schwester Ines nach. Regungslos verfolgt sie den Vortrag ihres Mannes, der im Saal mit kräftigem Applaus bedacht wird. Nach dem Ende verlässt sie – eskortiert von einem Offizier – alleine das Kapitol.