Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält sich mit Kommentaren zu Ankündigungen des amerikanischen Präsidenten zurück. Foto: dpa

Die deutsche Finanzpolitik ist alarmiert, weil der US-Präsident die Bankenregulierung abschwächen will. Die Bundesregierung setzt auf Dialog. Berlin fragt sich, was aus G 20 wird.

Berlin - Die Vertreter der Bundesregierung haben sich vorgenommen, nicht über jedes Stöckchen zu springen, das die US-Regierung hinhält. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Woche Vorwürfe der US-Administration zurückwies, wonach Deutschland eine Art Abwertungswettlauf in der Währungspolitik betreiben soll, hat sich Berlin Zurückhaltung auferlegt. Die Regierung will die Ankündigung des Präsidenten Donald Trump, der die Bankenregulierung aufweichen will, nicht kommentieren. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte nur, die internationale Kooperation in der Finanz- und Wirtschaftspolitik bleibe weiterhin ein vordringliches Thema für die großen Industrie- und Schwellenländer (G 20). Deutschland hat zurzeit die G-20-Präsidentschaft inne und richtet im Juli den Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Hamburg aus. Zu den Kernthemen der G 20 gehören gemeinsame Finanzmarktregeln. Was auf dem Gipfel besprochen wird, ist seit Trumps Amtsantritt unklar. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält sich mit Erklärungen zurück, er möchte erst mit dem neuen US-Finanzminister Steven Mnuchin über die Deregulierungspläne sprechen. Mnuchin ist noch nicht im Amt.

Hat die Zähmung der Finanzmärkte ein Ende?

Nach den jüngsten Signalen aus Amerika stellen sich in Berlin aber viele die Frage, ob die mit der Finanzkrise 2008 begonnene Zähmung der Finanzmärkte ein Ende findet. Die Finanzpolitiker im Bundestag sind jedenfalls besorgt. „US-Präsident Donald Trump will die Banken wieder von der Leine lassen“, sagte der SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider unserer Zeitung. Er befürchtet, dass die Spielermentalität bald wieder Oberhand gewinnt. „Das Roulette wird wieder eingeführt“, meinte Schneider in Anspielung auf den Kasino-Kapitalismus vor der Finanzkrise.

Schneider warnt vor gefährlichen Entwicklungen. Wenn erneut ein Wettlauf um die günstigsten aufsichtsrechtlichen und gesetzlichen Bedingungen für Finanzakteure einsetze, führe das zur nächsten Krise. Der SPD-Finanzpolitiker erwartet, dass Trump der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Finanzpolitik misstrauisch gegenübersteht. Dabei sei die globale Koordination in der Finanzpolitik der einzige erfolgversprechende Weg, sagte Schneider. Nach dem Ausbruch der Finanzkrise verständigten sich die 20 großen Industrie- und Schwellenländer (G 20) auf gemeinsame Standards zur Regulierungder Finanzmärkte. Dazu gehören beispielsweise weltweit höhere Eigenkapitalanforderungen für Banken, die Beschränkung des Eigenhandels der Geldhäuser sowie die Kontrolle unbeaufsichtigter Schattenbanken. Noch ist unklar, welche Regulierungen Trump genau zurückfahren will. Für gesetzliche Änderung benötigt der US-Präsident die Zustimmung des Kongresses.

G 20 gilt als neue Weltregierung

Trumps Ankündigung könnte Folgen für die internationale Zusammenarbeit haben. Als die Staats- und Regierungschef 2008 die Kooperation in der G 20 neu belebten, sprachen manchen schon von einer neuen Weltregierung. Den in der G 20 versammelten Regierungen ist es nach der Krise mit einem abgestimmten Verhalten in der Finanzmarktpolitik gelungen, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Einiges wurde erreicht, obwohl manche Ankündigungen der G 20vage blieben, denn die Umsetzung der Beschlüsse ist Sache der einzelnen Regierung. Dennoch erwies sich die multilaterale Zusammenarbeit als Erfolg. Das zeigt sich auch in der Steuerpolitik. Die G 20 brachte den automatischen Informationsaustausch über Kontodaten auf den Weg, der von diesem Jahr an in mehr als 100 Ländern eingeführt wird. Der SPD-Politiker Schneider rechnet auch damit, dass es mit Trump schwierig wird, über Vereinbarungen in der Steuerpolitik zu sprechen. Statt auf internationale Kooperation setze Trump auf Nationalismus, meinte Schneider. Es zeichne sich ein „verheerender Rückschritt“ ab.

Banken wollen Uhren nicht ganz zurückstellen

Anders sieht die Einschätzung von Verbänden und Ökonomen aus. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, erklärte, es sei nicht überraschend, dass die Republikaner im Repräsentantenhaus und Senat die Regulierung des Finanzsektors unter die Lupe nähmen. Eine Überprüfung der nicht immer aufeinander abgestimmten Regelungen könne sinnvoll sein, sagte Kemmer. Er warnte aber gleichzeitig davor, die Uhren ganz zurückstellen zu wollen. Errungenschaften wie international abgestimmte Standards sollten nicht über den Haufen geworfen werden. Die Stabilität des globalen Finanzsystems könne nur durch international vereinbarte Regeln gewährleistet werden.

Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, hält nichts von Alarmismus. Er sagte unserer Zeitung: „Nicht jede Regulierung im Finanzmarktbereich, die in den letzten Jahren eingeführt wurde, ist sinnvoll.“ Es wäre allerdings sehr schädlich, wenn Trump die Regeln für das Eigenkapital verwässern würde. Notwendig sei mehr Eigenkapital für Banken.