Klicken Sie sich durch Die Aufnahmen, die Thomas Jäger von Verkäufer der Straßenzeitung "Trott-war" gemacht hat. Foto: Jäger

Ein Hobbyfotograf hat „Trott-war“-Verkäufer abgelichtet und erzählt deren spannende Geschichten.

Stuttgart - Eigentlich hat er in seiner Freizeit bislang hauptsächlich Modenschauen fotografiert. Für das Daimler-Projekt "Wir bewegen was!" hat Thomas Jäger nun sozial Schwache vor seine Linse geholt.

Am Anfang sei es nicht gerade leicht gewesen; das Vertrauen seiner "Models" habe er sich erst mühsam erarbeiten müssen. "Es hat eine Weile gedauert, aber wenn sie einem ihr Herz geöffnet haben, dann ergeben sich daraus richtig freundschaftliche Beziehungen", erzählt der 47 Jahre alte Hobbyfotograf Thomas Jäger. Dass er es bei seinem aktuellen Projekt nicht mit professionellen Models zu tun hatte, sondern sich mit sozial schwächer gestellten Menschen auseinandersetzte, hat er im weitesten Sinne seinem Arbeitgeber, der Daimler AG, zu verdanken. Diese unterstützte aus Anlass des 125. Geburtstag des Automobils im vergangenen Jahr 125 gemeinnützige Mitarbeiter-Projekte mit insgesamt 625.000 Euro. Auch der studierte Elektrotechniker Jäger, der die Fotografie als Ausgleich zu seinem Job sieht, hatte sich um einen Einzel-Zuschuss in Höhe von 5000 Euro beworben; sein Thema: "Anders ist besser - Reintegration & Fotografie", seine Models: Verkäufer der Straßenzeitung "Trott-war".

Etwa 70 sozial benachteiligte Frauen und Männer sind es im Großraum Stuttgart, die sich regelmäßig die markante rote Jacke überstreifen und die Straßenzeitung auf Plätzen, vor Supermärkten und an Straßenecken verkaufen. Jeder dieser Verkäufer hat seine eigene Geschichte, seinen Lebenslauf, seine Probleme. "Es war sehr faszinierend, mehr über diese Menschen zu erfahren und sie dabei immer besser kennenzulernen", erzählt Jäger. Ob es nun um einen ehemaligen Alkoholiker und Junkie oder die Frau ging, die sich nur mit ihrem Hund fotografieren lassen wollte; ob es der 70 Jahre alte Rumäne ist, der noch immer Gewichte von 100 Kilogramm stemmen kann, oder ein Mann, der durch seinen Heroinmissbrauch beide Beine verloren hat und sich nun zum Fachinformatiker ausbilden lässt: Jeder hatte Lust, bei dem Projekt mitzumachen, und jeder hatte Thomas Jäger etwas Spannendes zu erzählen. Das Schönste an den Gesprächen fasst Jäger mit einem Satz zusammen: "Diesen Leuten geht es gar nicht gut, aber sie strahlen dennoch viel Optimismus aus und sind immer freundlich."

"Mich hat es sehr nachdenklich gemacht"

Fotografiert wurden die rund 20 Männer und Frauen beim Zeitungsverkauf, im Fotostudio und zu Hause - und "zu Hause", das konnte eine kleine Wohnung ebenso bedeuten wie der Schlafplatz unter der Brücke. Ziel des Projekts solle es sein, den Betroffenen ihr Selbstbewusstsein zurückzugeben und ihnen dadurch auch eine bessere Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen, berichtet Jäger. Mit den Fotos können nun Bewerbungsmappen gestaltet werden, zudem werden alle Porträts mit der persönlichen Geschichte in den kommenden "Trott-war"-Ausgaben abgedruckt. Und: Vom 14. März bis 8. April werden die Fotos im Café Künstlerbund am Schlossplatz in einer Ausstellung präsentiert.

Dass das Projekt eine positive Resonanz hervorruft, daran zweifelt der 47-Jährige keinen Augenblick. ",Trott-war' hat immerhin eine Auflage von etwa 30 000 Stück, da wird vielleicht doch der ein oder andere Arbeitgeber auf diese Menschen aufmerksam und gibt ihnen eine Chance."

Ihm sei es bei dem Projekt nie um ihn selbst als Fotograf gegangen, sondern immer um die Menschen hinter den Bildern. Im Übrigen habe ihm die Zusammenarbeit mit seinen "Models" persönlich viel gebracht. "Mich hat es sehr nachdenklich gemacht, was einem im Leben alles widerfahren kann; von jetzt auf gleich sieht alles anders aus." Bis Ende Februar will er weitere "Trott-war"-Mitarbeiter fotografieren und sich dann nächsten Projekten zuwenden. "Dabei werde ich mich künftig sicher mehr auf Sozialfotografie spezialisieren, dabei aber auch dieses Projekt fortführen."