Die Gemeinde Kernen hat spezielle Säcke angeschafft: Gefüllt mit Wasser geben sie, wie hier in Rommelshausen, Feuchtigkeit dosiert an die Bäume ab. Foto: Ingrid Sachsenmaier

Die Trockenheit macht auch Wengertern und Gärtnern zu schaffen. Das hat Folgen – und weckt Kreativität. Die Lage der letzten Wochen macht sich zurzeit noch stärker bemerkbar, weil extrem hohe Temperaturen die Situation zuspitzen.

Fellbach - Nicht nur Menschen und Tiere, auch Pflanzen, Bäume und Blumen lechzen derzeit nach Wasser. Die Trockenheit der letzten Wochen macht sich zurzeit noch stärker bemerkbar, weil extrem hohe Temperaturen die Situation zuspitzen. „Wir kommen mit dem Gießen gar nicht nach“, klagt ein Kleingärtner.

Die ersten Weinlagen sind schon fast durchgefärbt

So geht es auch den Wengertern. Thomas Seibold, Vorsitzender der Fellbacher Weingärtner (WG), klagt zwar nicht, denn er beobachtet, „die Reben sind noch grün“. Dennoch ist er jeden Tag draußen in den Anlagen, um zu bewässern. Ein wassergefülltes Tankfass hängt dann an seinem Schlepper, aber oft sind die mitgeführten hunderte Liter Wasser wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Überall ist dieses System des Wasserausbringens sowieso nicht möglich, etwa wenn das Weinberggelände zu steil ist. „Es gibt keine ergiebigen Quellen“ in unserem Anbaugebiet, sagt Seibold, „vor allem den jüngeren Anlagen fehlt es an Wasser.“ Bei Neuanpflanzungen werde in den letzten Jahren darauf geachtet, wo möglich, mit Tröpfchenschläuchen für eine kontinuierliche Bewässerung vorzusorgen.

„Die Trauben haben gerade richtig Stress“, sagt Markus Heid vom gleichnamigen Fellbacher Weingut. Der Bio-Wengerter zitiert einen Spruch der Altvorderen: „Es entsteht kein guter Wein, wenn die Reben nicht mal schaffen müssen.“ Das ist derzeit der Fall. Die ersten Weinlagen seien schon fast durchgefärbt, Markus Heid mutmaßt, dass mit der Lese noch im August begonnen wird. Thomas Seibold sieht das für die Fellbacher WG anders. „Im August lesen wir noch nicht – und im September nicht gleich.“

Bei Gemüse Merz in Kernens Teilort Rommelshausen ist gerade Pflanzzeit

Gleich reagieren müssen dagegen Landwirte, die Gemüse im Freiland anbauen und Gärtner, die ihre Blumenfelder unter freiem Himmel haben. Bei Gemüse Merz in Kernens Teilort Rommelshausen ist gerade Pflanzzeit, jede Woche kommen rund 5000 Setzlinge in die Erde. Das muss gut vorbereitet sein. „Wir bewässern die Böden mindestens einen ganzen Tag im Voraus konstant, sonst kriegen wir die Setzlinge gar nicht in die Erde.“ Am Dienstag hat Christian Merz Endivie und Zuckerhut gepflanzt, in den nächsten zwei Wochen setzt er noch Radicchio und Kohlrabi. Dann ist die „Herbst- und Winterware“ gepflanzt. Durch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem und leistungsstarke Pumpen erziele er trotz Hitze und Trockenheit ein gutes Ergebnis. „95 Prozent der Pflanzen kriegen wir durch“, freut er sich dieses Jahr über eine gute Qualität beim Salat. Das führt er auch auf die bislang eher kühlen Nächte zurück. „Das soll darauf zurückzuführen sein, dass nicht mehr so viele Flugzeuge unterwegs sind“, habe ihm ein Fachmann gesagt, meint Merz. Ob das stimmt? Die Folgen der Corona-Pandemie zeigen sich jedenfalls in vielen Bereichen.

Gefordert ist auch die Gärtnerei van der Geer auf dem Schmidener Feld. Dreimal in der Woche – dienstags, donnerstags und samstags – verkaufen Piet-Hein van der Geer und sein Team die selbst im Freiland und den Gewächshäusern gezüchteten Blumen auf dem Stuttgarter Wochenmarkt am Schillerplatz.

Die Gemeinde Kernen hat 180 spezielle Wassersäcke angeschafft

Im Freiland wachsen gerade unter anderem Sonnenblumen, Dahlien, Sommeraster, Lilien und Rittersporn, zählt der gelernte Gärtnermeister auf. Im Sommer müsse man bei Blumen grundsätzlich mehr Aufwand betreiben. Pflanzenschutz ist notwendig etwa bei der „roten Spinne“: Die Milben setzen sich unter die Blüten. Und die Blütenthripse, ein Insekt, das Zierpflanzen schädigt, hinterlässt an den Blüten schwarze Flecke. Van der Geer vermarktet seine Blumen ausschließlich direkt auf dem Wochenmarkt. „Am Dienstag waren, wahrscheinlich wegen der Hitze, weniger Kunden da“, sagt Piet-Hein van der Geer. Damit die Kunden die Schnittblumen gut transportieren können, schlägt er die Stängel in feuchtes Paper ein und umhüllt den ganzen Strauß zusätzlich mit ordentlich Zeitungspapier. Und auf dem Feld gilt für ihn in diesen Zeiten: immer fleißig gießen.

Diesbezüglich hat sich die Gemeinde Kernen dieses Jahr etwas Luft verschafft. Annerose Mößner, zuständig im Rathaus für den Grünflächen- und Landschaftsbereich, hat 180 spezielle Wassersäcke angeschafft. Entdeckt hat sie die grünen Plastiksäcke bei sich zuhause in Heiningen und dann auch in Weinstadt. Jetzt umschmiegen sie, prall gefüllt mit Wasser, die Stämme von Jungbäumen, zum Beispiel an der Ortsdurchfahrt Rommelshausen. Das Prinzip ist einfach: Die mit bis zu 70 Liter Wasser gefüllten Säcke sind an der Unterseite mit kleinen Löchern perforiert. Sie geben langsam, kontinuierlich und verlässlich Wasser ab. Das entzerrt die täglichen Gieß- und Wassertouren der Mitarbeiter im Bauhof. „Man weiß sonst nicht mehr wo anfangen mit dem Gießen“, sagt Annerose Mößner, die im Gemeindegebiet, sowohl in Stetten als auch in Rommelshausen beobachtet, dass manche Bäume von oben eintrocknen und Risse in der Rinde bekommen. Das sei aber nicht auf die aktuelle Hitze zurückzuführen, sondern ein Prozess der letzten Jahre. „Die Bäume haben keine Erholungsphase mehr“, sagt sie.