Durch die Trockenheit rechnet man in Teilen Deutschlands mit massiven Ernterückgängen. Foto: dpa

Einige Gewitter ändern nichts daran: Eine Trockenheit hat Deutschland im Griff. Landwirte müssen zum Teil Tiere notschlachten. Auch der Südwesten bleibt nicht ganz verschont.

Stuttgart - Was die Naturschützer anbelangt, sind deren Meinungen verschieden, was die seit Monaten besonders Nord- und Ostdeutschland beutelnde Dürre anbelangt. „Die Situation mag übel aussehen, aber die Natur ist an solche Wetterperioden angepasst und übersteht sie gut“, sagt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier-Stiftung in Hamburg. Den Hasen, Fasanen, Rebhühnern und Feldvögeln tue die Trockenheit gut, denn da breiteten sich weniger Krankheitserreger aus, und Dauernässe könne für Jungtiere tödlich sein: „Kleine Hasen leiden sehr darunter, weil ihr Fell kaum Wasser abweist.“ Auf der anderen Seite fehlt mangels Pfützen den Mücken die Brutstätte – und Vögel müssen mit einem knappen Nahrungsangebot auskommen, sagt der Bund für Umwelt und Naturschutz.

Hitze: Gut für Bienen, schlecht für Weizen

Aber selbst norddeutsche Bauern – die seit Wochen über die anhaltende Trockenheit jammern – finden gelegentlich einen positiven Aspekt an der Großwetterlage: „In diesem Jahr sind die Honigerträge deutlich besser als 2017, sie liegen sogar über dem langjährigen Durchschnitt“, zieht Jürgen Frühling vom niedersächsischen Imkerverband Bilanz. Allerdings hätten auch die Bienen die hohen Temperaturen zu spüren bekommen, denn die Blütezeit der Trachtpflanzen, die viel Nektar und Pollen tragen, sei rasch und intensiv verlaufen. Ansonsten sieht es mau aus in der Landwirtschaft. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied stapfte kürzlich vor Kameras über ein Weizenfeld in Brandenburg: „Der Weizen steht hier kniehoch, er müsste mir eigentlich bis zur Hüfte gehen.“ Und er zeigte ein paar magere Körner in der hohlen Hand, „die eigentlich meine Hand füllen müssten“. Brandenburg rechnet mit Ernterückgängen von 50 bis 60 Prozent, in Schleswig-Holstein soll es ein Minus von 50 Prozent sein.

Landwirte müssen Tiere notschlachten

Ähnlich ist die Lage in Sachsen-Anhalt: Bei einem Hofbesuch in Jessen an der Grenze zu Brandenburg zeigt sich die Katastrophe exemplarisch. 250 Milchkühe wurden hier bis vor wenigen Wochen gehalten. Tagsüber stehen die Tiere auf der Weide, doch das Idyll trügt. Wegen der monatelang anhaltenden Hitze mussten bereits 90 Tiere notgeschlachtet werden. Es ist zu heiß, der Regen fehlt, und damit auch frisches, saftiges Kuhgras.

Die Wiesen sind braun. Vier bis fünf Schnitte, sagen die Leute in Jessen, sind in einem normalen Jahr üblich, um Heu und Stroh zu erwirtschaften. In diesem Jahr reichte es bislang nur für zwei Schnitte. Da das Futter knapp wird und auch nichts hinzugekauft werden kann, da es anderen Landwirten ähnlich ergeht, muss der Tierbestand auf dem Hof reduziert werden.

Auch der Südwesten bleibt nicht ganz verschont

Bauernpräsident Rukwied erwartet bundesweit eine Getreideernte im Wert von 41 Millionen Euro – das liege weit unter dem Fünf-Jahres-Durchschnitt von 48 Millionen in Deutschland und bringe viele Erzeuger in Bedrängnis. In Baden-Württemberg schauen die Landwirte mitleidsvoll auf den Norden. „Wir im Südwesten sind mit einem blauen Augen davongekommen“, sagt Marco Eberle vom Landesbauernverband. Die Situation sei „nicht vergleichbar“ mit der im Norden, allerdings seien die Niederschläge punktuell sehr verschieden ausgefallen. Von starker Trockenheit betroffen seien die Region Mannheim, auch der Rhein-Neckar-Kreis sowie der Main-Tauber-Kreis: „An einigen Orten gab es Starkregen, im Dorf fünf Kilometer weiter herrschte Trockenheit.“ Über Gewitter und Platzregen sind die Bauern nicht begeistert, denn der knochentrockene Boden kann das Nass gar nicht aufnehmen: Es fließt ab, und mancherorts verursacht der Starkregen Schäden auf den Feldern. Am besten – auch mit Blick auf Hackfrüchte wie Kartoffeln und Zuckerrüben – wäre ein ergiebiger Landregen, sagt Eberle. Immer mehr werde die Beregnung zum Thema. Was in Sonderkulturen längst gang und gäbe sei, sei für das Getreide aber zu teuer. Auch der Anbau von dürreresistenten Arten wird erprobt – ihr Nachteil sind die geringeren Erträge.

„Bauern werden mit Folgen allein gelassen“

Der Deutsche Bauernverband hat die Dürre genutzt, um eine alte Forderung auf die Tagesordnung zu setzen: Er will steuerfreie Rücklagen für Ernteausfälle bei Risikowetterlagen für die Landwirte. Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) sieht das ähnlich. „Der Jahrhundertfrost 2017 in Süddeutschland und der diesjährige Hitzesommer vor allem in Ostdeutschland geben uns einen Vorgeschmack, welche negativen Folgen der Klimawandel für die Landwirtschaft mit sich bringt“, sagt Hauk: „Alle reden vom Treibhauseffekt, aber mit den Folgen lassen wir die Bauern allein, das geht nicht.“ Für Missernten aufgrund von Frost, Trockenheit oder Unwetter müsse eine Möglichkeit zur Vorsorge für die Landwirte geschaffen werden – und zwar mit der Unterstützung des Staates. „Deshalb machen wir uns für die Einführung einer Mehrgefahrenversicherung stark“, ergänzt Hauk. Er werde an dem Punkt nicht lockerlassen.Aber auch Hauk will für Baden-Württemberg nicht von Trockenschäden im Ackerbau sprechen; der Südwesten erwarte eine durchschnittliche Getreideernte mit regionalen Einbußen. Dennoch blickt der Minister bang zum Himmel: „In den nächsten Tagen sollte es für eine gute Entwicklung von Mais und Zuckerrüben regnen.“

Hoher Wasserverbrauch, niedrige Pegelstände

Außerhalb der Landwirtschaft hat die Dürre noch begrenzte Folgen: Aus Hamburg heißt es, dass die Wasserwerke jetzt gelegentlich die Kanalisation durchspülten. Die Binnenschifffahrt ist wegen der niedrigen Pegelstände eingeschränkt – auf dem Rhein verkehren die Kähne nicht mehr voll beladen. Der Pegelstand des Bodensees liegt auf einem für die Jahreszeit relativ niedrigen Niveau. Die Bodensee-Wasserversorgung in Sipplingen meldet, dass „die tägliche Wasserabgabe sehr hoch“ sei. Die höchste Abgabe des Jahres sei am 3. Juli gewesen, als 497 000 Kubikmeter Trinkwasser das Wasserwerk Sipplinger Berg Richtung Norden verlassen hätten. Ein Rekord aber sei im Dürrejahr 2003 eingetreten, als am 6. August 561 150 Kubikmeter Wasser abgepumpt worden sind. Das liegt weit über dem Zehn-Jahres-Mittel der täglichen Wasserabgabe von 350 000 Kubikmetern. Bewässerungsanlagen, Hobbygärtner mit Gartenschlauch und die Freibäder – alle wollen frischen Nachschub.