Gelbes Gras, Laub mitten im Sommer: das neue Normal in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Diese Woche soll in Stuttgart etwas Regen fallen, am Montag tröpfelt es zumindest. Warum das in diesem Sommer tatsächlich eine Nachricht ist – und wir uns statt über Sonne künftig über Regen freuen sollten.

Diese Woche regnet es in Stuttgart: Was wie eine reichlich seltsame Nachricht klingt, ist im Sommer 2022 tatsächlich berichtenswert – weil es so selten vorkommt. Allerdings reichen die wenigen Tropfen, die am Montagmorgen gefallen sind, nicht aus. Nach einer „nahezu historischen Dürre“ im Juli ist die Niederschlagsbilanz im August bislang deprimierend.

22 Millimeter Regen sind in den letzten vier Wochen in der Innenstadt gefallen, am Flughafen waren es 32, am Schnarrenberg sogar nur 13 (Stand Montag, 15. August). Die auf niedrigem Niveau deutlich unterschiedlichen Werte zeigen: Niederschlag auf den Fildern muss nicht bedeuten, dass auch am Schnarrenberg etwas herunterkommt.

Zehnmal so viel Regen wäre normal

Wichtiger ist der historische Vergleich, der mit unserem Datenprojekt „Klimazentrale“ möglich wird: Eigentlich müsste es in dieser Jahreszeit fünf- bis zehnmal so viel regnen. Ob man die Niederschläge zwischen 1961 und 1990 oder die zwischen 1991 und 2020 als Referenzperiode nimmt, ist fast egal. Der Sommer 2022 ist ein Wüstensommer – in Stuttgart,aber auch anderswo in Baden-Württemberg (alle Daten für Ihren Ort gibt es hier). Die Natur braucht derzeit wirklich jeden Tropfen.

Gelbes Gras, brennende Grünflächen: das neue Normal

Die Folgen werden an vielen Stellen der Stadt sichtbar: verdorrtes Gras, trockende und teilweise laubende Bäume mitten im Sommer, eine brennende Grün- oder besser Gelbfläche am Charlottenplatz, dazu Lästiges wie unzählige Wespen. Es deutet viel darauf hin, dass das in den kommenden Jahren zum „neuen Normal“ wird.

Nicht mehr trockene Sommer sind dann die Ausnahme, sondern feuchte wie jener 2021. Er folgte auf drei Trockenjahre; 2022 ist jedenfalls der Sommer nach einem trockenen Winterhalbjahr ebenfalls extrem trocken und sehr warm. Das sind die ganz konkreten Wetterfolgen vor Ort, die Modelle zum Klimawandel so schon seit vielen Jahren vorhersagen.

Sollen wir uns über Sonne überhaupt noch freuen?

Zwischen Mitte Juli und Mitte August war es in Stuttgart seit mindestens zehn Jahren nicht mehr so sonnig wie dieses Jahr, auch das zeigt unsere Klimazentrale. Über sonniges Wetter freut man sich fast automatisch. Das hat allerdings auch damit zu tun, dass die Sonne in Deutschland historisch gesehen seltener scheint als anderswo und dass es mehr regnet.

Von dieser Schablone, vor der wir das aktuelle Wetter beurteilen, müssen wir uns offenbar verabschieden. Womöglich wird die immer noch seltsam klingende Nachricht „Es regnet“ schon in wenigen Jahren unter Good News verbucht – eine seltene Meldung, über die sich alle freuen.