Eine Rohrbruch verwandelte die Straße Am Kräherwald mitten im Sommer in einen Bach. Die Trockenheit belastet die Leitungen im Untergrund. Foto: Andreas Rosar

Die Trockenheit ließ in Ostdeutschland viele Rohre platzen. In Stuttgart hält sich der Schaden bisher in Grenzen. Doch der Klimawandel ist eine Gefahr für die Wasserleitungen unter der Stadt.

Stuttgart - Für Melanie Promsarin begann der Tag mit Kistenschleppen. Kein Tropfen floß mehr aus dem Hahn. Ihre Sabai-Sabai-Thai-Theke an der Immenhoferstraße wollte sie aber nicht schließen, weil sie kein Wasser zum Kochen hatte. Am Morgen war ein Leitungsrohr an der Straße geborsten. Circa 150 Haushalte saßen für Stunden buchstäblich auf dem Trockenen. Die Netze BW verteilte Mineralwasser. „Damit kann ich aber nichts anfangen“, sagte Promsarin. Sie entschied sich, stilles Wasser in einem Supermarkt zu kaufen und dann erneut abzukochen. „Das ist ein Vollstress heute“, klagte sie.

 

Der jüngste Rohrbruch in Stuttgart in diesem rekordverdächtigen Sommer hatte gleichwohl nicht die Dimensionen der Leitungshavarien in Ostdeutschland. Im Mai und Juli verwandelten sich etwa die Chemnitzer Stadtteile Kaßberg und Altendorf in Seen. Im Juli wurden Bewohner auf dem Kaßberg wie in einem Katastrophengebiet mit Trinkwasser aus Tanklastern versorgt.

In der baden-württembergischen Landeshauptstadt standen schon vor dem jüngsten Vorfall an der Immenhofer Straße mitten in einer über Monate anhaltenden Periode großer Trockenheit Straßen unter Wasser. Vor Kurzem brach etwa in der Straße Am Kräherwald das Rohr einer größeren Verbindungsleitung.

Anfang August mussten einige Hauhalte in Münster ausgerechnet einen Tag lang auf Trinkwasser aus der Leitung verzichten wiederum aufgrund der Havarie eines Rohrs. Die Neue Straße in Gablenberg wurde ebenfalls im August gesperrt, weil Schäden an der unterspülten Fahrbahn nach zwei Wasserrohrbrüchen behoben werden mussten.

Stuttgarter Rohre sind stabiler

Die Netze BW ist in Stuttgart für die Instandhaltung der Wasserleitungen zuständig. Ihren Zahlen zufolge weist Stuttgart zum gegenwärtigen Zeitpunkt weniger Schadensfälle an Wasserrohren auf als im Zeitraum des vergangenen Jahres. „Für eine Prognose für 2018 ist es naturgemäß noch zu früh; es sieht aber bislang vergleichsweise gut aus“, erklärt Hans-Jörg Groscurth, Sprecher der Netze BW. Insgesamt pendele sich die Zahl der Havarien seit zehn Jahren auf einem Niveau von 650 bis 700 Fälle pro Jahr ein, erklärt Groscurth. Dazu zählten nicht nur Rohrbrüche, sondern auch Schäden an Hydranten oder Hausanschlüssen, meint er.

Gleichwohl sei auch der Untergrund in Stuttgart von der ungewöhnlichen Dürre genauso betroffen wie es in den neuen Bundesländern der Fall ist, erklärt er. Die Trockenheit verursacht im Erdreich ein Phänomen, das Fachleute als Sommerfrost bezeichnen. Ähnlich wie bei anhaltenden Minustemperaturen, erstarrt der Untergrund, wenn Niederschlag über längere Zeit ausbleibt. Kleinste Erschütterungen etwa durch den Autoverkehr werden ungedämpft auf die Leitungen übertragen. Da im Sommer der Wasserverbrauch steigt, stehen die Rohre unter höherem Druck als üblich. In Stuttgart seien die Rohre zu allen Jahreszeiten durch das hohe Verkehrsaufkommen einer hohen Belastung ausgesetzt, meint der Sprecher der Netze BW. Dass dennoch größere Defekte ausblieben, könnte mit der Qualität des Stuttgarter Leitungsnetzes zu tun haben. Experten in Ostdeutschland sahen auch Materialermüdung als Ursache für die Defekte in den neuen Bundesländern an. Sie wurden noch in DDR-Zeiten in den Boden verlegt.

Experten sind besorgt

Doch auch in Stuttgart gibt es Befürchtungen, dass das bestehende Netz künftigen Belastungen nicht mehr gewachsen ist. Der Klimawandel bedingt mehr Trockenperioden. Ein Sommer wie in diesem Jahr könnte zum Normalfall werden. In Fachkreisen und auch bei der Netze BW werde deshalb diskutiert, ob die Stuttgarter Wasserleitungen nicht um einen Meter tiefer gelegt werden müssten mit Blick auf Bodenbewegungen und Wassertemperatur, erklärt der Netze-BW-Sprecher Groscurth. Die Überlegungen seien aber im frühen Stadium, erläutert er. „Und sie beträfen natürlich nur Neubauten oder Erneuerungen“, meint er.