Unendliche Reise durch die Nacht: „Acid Rain“ von Tomek Popakul erhält den Grand Prix. Foto: ITFS

Sechs Tage Live-Stream: Mit einer Online-Preisverleihungsgala ist das Stuttgarter Trickfilm-Festival zu Ende gegangen. Innovative Präsentationsformen korrespondierten mit filmischen Vorstößen in unbekannte Welten.

Stuttgart - Wie alles bei der Corona-Ausgabe des diesjährigen Stuttgarter Trickfilmfestivals wurde auch die Preisverleihung am Sonntagabend im Live-Stream auf der Festivalseite übertragen. Das hatte immerhin den Vorteil, dass jeder an der virtuellen Gala teilnehmen konnte. Moderiert von Markus Brock und in Anwesenheit der Kunststaatssekretärin des Landes, Petra Olschowski, wurden zahlreiche Auszeichnungen vergeben.

Der mit 15000 Euro dotierte Große Animationsfilmpreis des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart ging an „Acid Rain“ von Tomek Popakul. Der Film erzählt vom Ausbruch einer jungen Frau aus postindustrieller osteuropäischer Tristesse und von einer berauschenden Odyssee durch die Rave-Kultur. Die Jury zeigte sich beeindruckt von dem radikal modernen Stil und von der Weise, wie hier schwierige Themen wie soziales Engagement, persönliche Dämonen und Kontrollverlust mit Einfühlungsvermögen, aber ohne Romantik aufgriffen worden seien. Der Grand Prix qualifiziert automatisch für die Longlist der Oscars.

In Mizuki Kiyamas „Kujiranoyu – Bath House of Whales“ erinnert sich eine Tochter an die mysteriös-erwachsenen Rituale im Waschbad mit ihrer Mutter. Dafür gab es den mit 10 000 Euro dotierten Lotte-Reiniger-Förderpreis: die Jury ließ sich einnehmen von den „Momenten der Intimität und des Staunens in einer Welt der Erwachsenen“.

In ihrer Vater-Tochter-Geschichte „Dcera“ („Daughter“) verzichtet Daria Kashcheeva ganz auf Dialoge. Ihr in Stop-Motion-Technik mit Pappmascheefiguren gedrehter Film wurde mit dem Preis für den besten Studentenfilm ausgezeichnet. Eine besondere Erwähnung erhielt die Produktion „Gravedad“ der Filmakademie Baden-Württemberg von Matisse Gonzales, luftig gezeichnete Versuche, die Schwerkraft zu überwinden.

In „Le voyage du prince“ strandet ein alter Affenprinz in einer unheimlichen, feindlichen Umgebung und beißt sich durch. Für die laut Jury-Urteil „fantastische und philosophische Fabel“ erhielten Jean-François Laguionie und Xavier Picard den Preis für den besten animierten Langfilm.

Insgesamt zog die Festivalsleitung nach den erstmals in rein digitaler Form abgehaltenen sechs Veranstaltungstagen eine positive Bilanz. Von den rund 105 000 Views im Live-Stream zeigte sich der Künstlerischer Geschäftsführer Ulrich Wegenast überwältigt: „Wir freuen uns besonders darüber, dass in diesem Jahr Menschen aus aller Welt, eine Chance hatten unsere großartigen Wettbewerbsfilme und Rahmenprogramme zu sehen“, sagte Wegenast. Trotz der digitalen Ausrichtung sei eine neue Art von Festivals-Flair aufgekommen.

Die wichtigsten Preisträger im Überblick

Grand Prix Hauptpreis des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart in Höhe von 15 000 Euro: „Acid Rain“ von Tomek Popakul (Polen 2019)

Lotte Reiniger Förderpreis Bester Abschlussfilm, 10 000 Euro, gestiftet von der MFG Filmförderung: „Kujiranoyu – Bath House of Whales” von Mizuki Kiyama (Japan 2019)

Young Animation Bester Studentenfilm, 2500 Euro, gestiftet von der LFK Landesanstalt für Kommunikation: „Dcera“ („Daughter“) von Daria Kashcheeva (Tschechien 2019)

AniMovie Bester Langfilm: „Le voyage du prince“ („The prince’s voyage“) von Jean-François Laguionie und Xavier Picard (Frankreich 2019)

Tricks For Kids Preis für den besten animierten Kurzfilm für Kinder in Höhe von 4.000 Euro, gestiftet von Studio 100 Media | m4e: „La vie de château” von Nathaniel H’limi und Clémence Madeleine-Perdrillat (Frankreich 2019)