Mit perfiden Telefonaten haben falsche Polizisten eine Frau aus Fellbach beinahe um ihr gesamtes Erspartes gebracht. Im letzten Moment kamen der 78-Jährigen Zweifel. Zwei Handlanger einer Betrügerbande mussten sich deshalb jetzt vor Gericht verantworten.
Rund ein halbes Jahr nach den aufwühlenden Ereignissen analysiert die heute 79-jährige Fellbacherin ihre Situation messerscharf: „Ich war das perfekte Opfer.“
Als das Telefon an jenem 8. März klingelte, sei sie gerade von ihrer Augenärztin gekommen, berichtet die Frau jetzt im Zeugenstand des Waiblinger Amtsgerichts. Nach einer Operation habe sich ihr Sehvermögen wider Erwarten nicht gebessert. Einige Monate zuvor sei ihr Mann gestorben. „Mir ging es nicht gut, ich war deprimiert.“
Kommissar Kunz warnt vor osteuropäischen Einbrechern
Dann meldete sich dieser Kommissar, der ihr mitteilte, dass die Polizei in der Nacht zuvor einen Einbruch in der Nachbarschaft zwar vereitelt und einen Mann festgenommen habe. Ein weiteres Mitglied einer vermutlich osteuropäischen Bande aber sei noch auf der Flucht. Er rufe an, um sie zu warnen, betonte der freundliche Ordnungshüter mit dem Namen Kunz.
Sie sei durchaus skeptisch gewesen, sagt die Seniorin. Doch als sie, wie ihr geraten, die 110 anrief, meldete sich ein Polizeibeamter des Notrufs und bestätigte, jenen Kommissar Kunz und einen von diesem zuvor ebenfalls ins Spiel gebrachten Oberkommissar Kretschmar zu kennen. Erst später erfuhr die Frau, dass sie von den Betrügern, die aus einer Art Callcenter von der Türkei aus agierten, durch einen technischen Trick einfach in der Leitung gehalten wurde.
Falsche Kommissare setzen nach
Am zweiten Tag riefen die falschen Kommissare erneut an, erzählten, dass der zweite Einbrecher ebenfalls dingfest gemacht worden sei, man aber ein Notizbuch gefunden habe, in dem unter anderem ihr Name nebst einiger Bankdaten vermerkt worden sei. Sie müsse wachsam sein, möglicherweise sei ihr Vermögen in Gefahr.
In weiteren geschickt geführten Gesprächen loteten die Betrüger die Lebens- und Vermögensumstände der Dame aus. „Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich gut unterhalten gefühlt habe“, räumt die Frau heute ein, „wir haben über Gott und die Welt gesprochen – die Oper in Stuttgart oder meine Reisen nach Istanbul.“
Ein Versprechen macht die Seniorin hellhörig
Im Verlauf der Gespräche schafften es die Täter, die Frau zu überzeugen, dass ihr Geld auf der Bank nicht mehr sicher sei und sie dieses in Gold umtauschen solle. Was sie auch veranlasste: Sie investierte ihr gesamtes Vermögen, mehr als 70 000 Euro. Dann wiederum gaukelten die falschen Polizisten ihr vor, mit diesem Gold die Diebesbande hereinlegen zu wollen. Erst als sie ihr versicherten, dass ihr kein Schaden entstehen könne, sollte dabei etwas schiefgehen, weil dann der Staat dafür geradestehen würde, wurde sie hellhörig: „Dass Herr Lindner für so etwas auch noch bezahlen würde, konnte ich mir einfach nicht vorstellen.“
Am nächsten Morgen rief sie deshalb beim örtlichen Polizeirevier in Fellbach an, wo man ihr bestätigte, dass Trickbetrüger in jüngster Zeit im Rems-Murr-Kreis tatsächlich mit ähnlicher Masche und selben Namen aufgefallen seien. Als dann Kollegen der Waiblinger Kriminalpolizei bei ihr anfragten, ob sie sich vorstellen könne, zum Schein weiter auf ihre Betrüger einzugehen, um diesen eine Falle zu stellen, willigte sie ein: „Ich hatte mich so geärgert, dass ich beschloss: Ich mache das.“
Die Falle schnappt zu
Die damals 78-Jährige begab sich zu ihrer Bank („Ich glaube, mein Bankberater war noch aufgeregter als ich“), nahm dort die vermeintlichen Goldbarren in Empfang und deponierte eine Attrappe an einer mit den falschen Kommissaren verabredeten und von echten Polizisten überwachten Stelle. Kurze Zeit später schnappte die Falle zu.
Ein 29- und ein 33-Jähriger haben sich deshalb jetzt vor dem Amtsgericht Waiblingen für ihre Taten verantworten müssen. Im Verlauf des Prozesses wurde klar, dass die aus Syrien stammenden Männer nur Handlanger einer offenkundig gut organisierten, von der Türkei aus agierenden Bande waren. Die Männer, die in Duisburg unter jetzt vor Gericht ungeklärten Umständen von der Trickbetrügerbande rekrutiert worden waren, räumten die Taten ein, gaben aber an, kurzfristig beschlossen zu haben, auf eigene Rechnung arbeiten und die Abholung in die eigene Tasche gesteckt haben zu wollen.
Handyauswertungen der Kriminalpolizei bestätigten den Ermittlern nicht nur dies, sondern auch, dass die beiden Männer lediglich als sogenannte Läufer an dem Betrug beteiligt waren. Die eigentliche Operation sei offenkundig von der Türkei aus gesteuert worden, wo auch die Anrufe getätigt wurden.
Hintermänner bleiben vorerst unbeschadet
Letztlich wurden die Männer, die auch gegenüber ihrem Opfer versicherten, ihre Tat zutiefst zu bereuen, zu Haftstrafen von einem Jahr und zehn Monaten beziehungsweise einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Außerdem müssen sie jeweils 120 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Das Gericht ging nicht, wie ursprünglich angeklagt, von einem versuchten gemeinschaftlichen Bandenbetrug, also einer besonders schweren Form des Betrugs, aus. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Vorsitzende Richter Michael Kirbach stellte eine positive Sozialprognose. Insbesondere der ältere Angeklagte schien von seiner Zeit in Untersuchungshaft gezeichnet. Kirbach: „Ich glaube, Sie haben Ihre Lektion gelernt.“
Die Hintermänner hingegen können wohl zumindest vorerst weiter im Dunkeln ihr Unwesen treiben.