Szene aus dem Shakespeare-Abend im Theater tri-bühne. Foto: Michael Schill

Florian Dehmel und Stephen Crane inszenieren William Shakespeares Sonette als musikalischen Theaterabend. Ein Gespräch über Liebe und Bewegung.

Florian Dehmel und Stephen Crane inszenieren an diesem Freitag im Theater tri-büne William Shakespeares Sonette als musikalischen Theaterabend. Ein Gespräch über Liebe und Bewegung.
Stuttgart - Herr Crane, Herr Dehmel, Shakespeare hat viele Stücke geschrieben. Warum müssen die Gedichte dramatisiert werden?

Dehmel: Weil das Ensemble bei der Beschäftigung mit Shakespeare – wir spielen ja auch „Romeo und Julia“ – gemerkt hat, wie genial die Gedichte sind. Außerdem wollten wir einen poetischen Abend mit Musik machen, dazu eignet sich so ein Stoff besser als ein Stück, weil der einem viel Freiheit bei der Gestaltung gibt.

Crane: Anders als in England sind die Sonette in Deutschland nicht wahnsinnig populär. Und wir wollen darauf auch neugierig machen.

Wie macht man aus Gedichten eine Inszenierung?

Dehmel: Von den 154 Sonetten haben wir 24 ausgesucht. Uns geht es um die Liebe in all ihren Facetten: Junge Liebe, unerfüllte Liebe, die Liebe, die zu Ende ist. Shakespeares Sonette behandeln auch das Spiel der Geschlechter, daher gibt es auch eine Szene, in der die klassische Definition von Geschlechtern infrage gestellt wird. Um zu zeigen, dass Liebe nicht nur heterosexuelle Menschen betrifft, sondern alle.

Crane: Es ist herrlich, wie Shakespeare das Thema variiert, was er alles hineinpackt: Vergänglichkeit, Ewigkeit, Tod, Erotik, Einsamkeit. Und wir haben ein Hauptsonett, das Sonett 18.

Was interessiert Sie daran?

Crane: Wenn man es liest, tut sich ein Wahnsinnskosmos auf.

Dehmel: Es geht um die ewige Schönheit und Liebe, die bleiben wird, auch wenn die Liebenden tot sind. Durch die Poesie wird die Liebe nie vergehen. Es geht da also auch um die Kunst. Dieses Sonett wollen wir in verschiedenen Sprachen ausdrücken.

Warum?

Crane: Es hat einen schönen klanglichen Effekt, wenn wir die Zeilen im englischen Original hören und dann auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Schwyzerdütsch – und in einer Sprache, die ich nicht verraten möchte.

Dehmel: Das ist auch ein wenig dem geschuldet, dass wir ein internationales Ensemble haben. Da hat es sich einfach angeboten, das auch einmal in der Mutter- oder Zweitsprache der Schauspieler auszuprobieren.

Crane: Man zeigt so die Vieldeutigkeit des Textes, der in jeder Sprache anders wirkt. Die italienische Sprache etwa geht eher ins Herz, sie hat nicht dieses deutsche „zack, zack, zack“ (lacht).

Es gibt einige Übersetzungen, welche würden Sie empfehlen?

Crane: Manche Sonette sind sehr komplex, da kann man sich die eine richtige Übersetzung gar nicht vorstellen. Doch im Internet wimmelt es geradezu von Übersetzungen, die man früher nur in Bibliotheken hätte finden können. Am besten, Sie vergleichen die oder noch besser: Sie versuchen, selber eine Übersetzung anzufertigen.

Sie sagen, es wird ein musikalischer Abend. Werden Sie die Sonette singen?

Crane: Wir haben keine Sonette vertont. Davon gibt es schon genug. Wir lassen die Sonette für sich selbst wirken und kommentieren sie mit musikalischen Elementen.

Dehmel: Mit Musik von der Renaissance bis heute, bis zu Erasure oder Radiohead.

Wie laufen denn die Proben?
Dehmel: Vieles erarbeiten wir gemeinsam, Es ist ein Geben und Nehmen.
Keine Pannen?

Dehmel: Was haben Sie sich vorgestellt?

Eine Panne, oder dass irgendjemand etwas verwechselt hat oder hingefallen wäre.

Dehmel: Ach, nein. Nein.

So viel Bewegung ist also nicht dabei?

Dehmel: Es ist sogar viel Bewegung dabei! Auch ein Kampf. Das ist eine irre Konzentrationssache. Es wird zu Musik gekämpft, da müssen Sie innerlich zählen und dazu kämpfen. Aber die Schauspieler beherrschen das.

Crane: Ich hab’ eine Anekdote. Ich habe mal meinen Text vergessen.

Dehmel: Stephen stand auf der Bühne mit einer Partnerin, und es entstand eine Pause, ein Moment der Intimität. Und da sagt er: „Ich hab meinen Text vergessen.“ Da habe ich geantwortet: Wunderbar! Genau diesen Moment brauche ich. Und so entsteht Kunst auch aus einem Bühnenunfall.

Kämpfen und spielen Sie in klassischen oder in modernen Kostümen?

Dehmel: Wir haben ein heutiges Grundkostüm, das durch klassische Accessoires wie Schals, Mützen oder eine Kette verändert wird. Der Anspruch war der, dass diese Menschen uns jederzeit draußen auf der Straße begegnen könnten.

Crane: Es sollen eben du und ich sein. Diese Themen betreffen ja auch uns alle. Außerdem hat dies noch einen praktischen Aspekt: Die Szenen sind nicht so lang. Und da dann noch irgendwelche Kostümwechsel – das passt einfach nicht.

Dehmel: So bekommt das Requisit außerdem eine größere Bedeutung, wenn es allein steht. Unsere Hoffnung ist, dass im Kopf des Zuschauers noch mehr Bilder entstehen, als wenn wir ihnen einen elisabethanischen Hof bauen würden.

Letzte Frage: Warum sollte jemand, der Shakespeare und Gedichte überhaupt nicht mag, die Aufführung sehen?

Dehmel: Weil er beides danach mögen wird! Dadurch, dass die Gedichte szenisch dargestellt werden, hat man einen ganz anderen Zugang dazu und kann in diesen Kosmos der Liebe eintauchen.

Das Interview führten Anglistik-Studierende des Kurses „Journalistisches Schreiben“ an der Universität Stuttgart.