Corinne Brenner könnte sich an vielen Stellen im Stadtgebiet neue Stäffele vorstellen – und das nicht nur als Touristenattraktion Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Als bauliche Kulturgüter sind die Stuttgarter Stäffele untrennbar mit der Landeshauptstadt verbunden. Was nur wenige wissen: Viele Staffeln wurden einst geplant, aber nie gebaut. Dabei könnten Fußgänger in Hanglagen an vielen weiteren Stellen von solchen Treppenanlagen profitieren.

Stuttgart - Corinne Brenner steht in einer grünen Oase im Stuttgarter Süden. Zwischen Römerstraße, Pfaffenweg und Mühlrain wuchern Bäume, Gräser und Sträucher wild am Hang. Geplant war das einmal anders: Hier sollten Stäffele entstehen, eine Treppe, die Anwohnern einen kurzen, zeitsparenden Abstieg ermöglichen sollte. Umgesetzt hat man das Vorhaben allerdings nie. „Solche Fälle gibt es zuhauf, in der ganzen Stadt verteilt“, sagt Corinne Brenner, stellvertretende Bezirksbeirätin für die Grünen im Stadtbezirk Stuttgart-Süd.

Zahllose Stäffele und Querverbindungen wurden in Stuttgart einmal geplant, aber nie gebaut: So etwa eine Anlage, die Lehen-, Krapf- und Rebmannstraße verbunden hätte. Oder Staffeln an der Hohentwielstraße. Einige Anträge reichen zurück bis in die 1930er Jahre. Warum solle man diese Idee nicht wiederbeleben, fragten sich Corinne Brenner und Christiane Speyer von den Grünen. Ihre Fraktion stellte daher Anfang Mai im Bezirksbeirat den Antrag, die Stadt solle einen Ausbau der Stäffele und Querverbindungen prüfen. Der Antrag – einstimmig angenommen – soll erst einmal Aufschluss darüber geben, wie viele Stäffele und Querverbindungen einmal geplant wurden und wo diese vorgesehen waren.

Brenners Gedanke hinter dem Antrag ist es, mehr Anreize zu schaffen, zu Fuß zu gehen. Denn die markanten Treppen, im vorletzten Jahrhundert aus den Weinbergwegen hervorgegangen, seien mehr als bloße Relikte für Romantiker und Stuttgart-Touristen. „Stäffele sollen in erster Linie Fußgängern ermöglichen, schneller von A nach B zu kommen“, sagt sie.

Hier sieht die Bezirksbeirätin noch viel Potenzial. In Stuttgart sei das Erbe des Autos noch überall spürbar, ein langer Umdenkprozess deshalb nötig. „Viele steigen ohne nachzudenken ins Auto. Ihnen ist dabei nicht bewusst, dass der Weg übers Stäffele oft viel kürzer ist“, sagt Brenner. Mitunter nähmen Bürger absurde Umwege in Kauf, obwohl gerade in Hanglagen weitaus kürzere Fußwege bestehen, so Brenner. Deshalb gelte es, alle Optionen für den Ausbau weiterer kurzer Verbindungen abzuwägen.

Der Antrag soll auch dabei helfen, ein Bewusstsein für alternative Wege zu entwickeln, erklärt Brenner. „Man muss wegkommen vom kurzfristigen Denken, hin zu langfristigen Lösungsansätzen.“ Im großen Puzzle der alternativen Mobilitätskonzepte seien Stäffele und Querverbindungen dabei kleine, aber sinnvolle und vor allem nachhaltige Teilstücke. In dem vom Feinstaub geplagten Stuttgart sieht Brenner fruchtbaren Boden für ihre Idee: „Über die Stäffele erreichen die vom Verkehr geplagten Kesselbewohner schnell die Wälder in den Hanglagen – und tun dabei noch etwas für ihre Gesundheit“, sagt Brenner.

Ob die Landeshauptstadt mit rund 400 Stäffele nicht schon gut genug ausgestattet sei, mag mancher einwenden – schließlich kostet selbst die Sanierung der bestehenden Treppen nicht wenig Geld. Solche Einwände kennt Corinne Brenner. „Man muss ja nicht gleich die längste und breiteste Staffel nehmen, sondern bei einer kleinen anfangen“, entgegnet sie.

Sie ist überzeugt: wenn die Bürger und die Stadt erst den großen Nutzen erkennen, der durch kleine Verbesserungen möglich ist, käme das Projekt richtig ins Rollen. „Die Leute lassen sich überzeugen, wenn sie die Vorteile selbst erleben“, sagt Brenner.

Zumal die Finanzierung über die Kommune nicht die einzige Option ist. „Heute laufen viele Projekte über sogenanntes Crowdfunding – auch solche Formen der Finanzierung sind durchaus denkbar“, so Brenner.

Die Stadt zeigt sich der Idee gegenüber generell aufgeschlossen. Zwar sehe das Verkehrsentwicklungskonzept (VEK) 2030 nur die Erhaltung und Sanierung bestehender Stäffele vor, sagt Stephan Oehler vom Amt für Stadtplanung. „Wenn aber eine neu gebaute Staffel große Vorteile bringt, ist es durchaus denkbar, das in Angriff zu nehmen“, so Oehler. Freilich: Bei dem begrenzten Budget der Stadt hätten andere Dinge, wie etwa die Instandhaltung von Geländern und anderen Sicherheitsstandards bei bereits bestehenden Stäffele, zunächst aber Vorrang.

Ob die Vorteile der neuen Stäffele die Verantwortlichen ebenso überzeugen wie Corinne Brenner wird sich zeigen. Die Bürger jedenfalls könnten womöglich doppelt profitieren: Von der Renaissance eines Stuttgarter Wahrzeichens und von kurzen Wegen, die den Alltag erleichtern.