Nach wie vor begehrt: ein Platz an der Waldorfschule Uhlandshöhe Foto: Michael Steinert

In Stuttgart besucht jedes fünfte Kind eine nicht staatliche Schule – doppelt so viel wie im Land. Daran haben auch die Turbulenzen in der Bildungspolitik nichts geändert.

Stuttgart - Privatschulen stehen bei Schülern in Stuttgart trotz leichter Rückgänge nach wie vor hoch im Kurs: Jeder Fünfte, der eine weiterführende Schule besucht, hat sich in der Landeshauptstadt für eine nichtstaatliche entschieden. Und jeder vierte Privatschüler besucht eine Waldorfschule. Weder die Einführung der Gemeinschaftsschule noch G 9 bei den staatlichen Schulen haben diesen Trend verändert. Kai Buschmann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen in Stuttgart, spricht von einem „tollen Wettbewerbsmarkt in Stuttgart“. Insbesondere beim achtjährigen Gymnasium seien „alle Schulen gezwungen, sich hierfür ein gutes Konzept zu überlegen“. Denn private G 9 gebe es nicht, da der Staat das 13. Schuljahr nicht fördere. Die Nachfrage nach privaten Gymnasien geht zurück – bei Realschulen steigt sie.

 

An der von Buschmann geleiteten Waldschule in Degerloch kommt die Kombination von G 8 und Realschule unter einem Dach jedenfalls so gut an, dass es „immer mehr Anmeldungen als Plätze“ gebe – so auch in diesem Jahr –, auch wenn dafür 249 Euro Schulgeld im Monat bezahlt werden müssen. Von den 70 Bewerbern fürs Gymnasium würden nur 46 aufgenommen, von den 60 Realschulbewerbern nur 40, damit genügend Spielraum für das selbstständige Lernen bleibe. Von allen Kindern lasse man sich das Zeugnis von der dritten Klasse zeigen – „als Privatschule dürfen wir das“, sagt Buschmann. Und mit allen führe man ein halbstündiges Aufnahmegespräch. „Das macht viel Arbeit, lohnt sich aber“, betont er. „Wir hatten im letzten Jahr nur einen Sitzenbleiber, im vorletzten Jahr gar keinen – gegen den Landestrend.“ Seit Herbst neu im Angebot sei das individuelle Schülercoaching in Klasse zehn durch Lehrermentoren als Vorbereitung für die Kursstufe.

An der Merzschule spielt Bildungsempfehlung keine Rolle

Keine Bewerber abweisen musste die Merzschule an der Geroksruhe. Für das zweizügige Gymnasium seien die meisten Anmeldungen aus der dreizügigen Grundschule des Familien-Bildungsunternehmens gekommen, berichtet Schulleiter Konstantin Merz. Nur zehn externe Bewerber habe es für die zwei fünften Klassen gegeben, die jeweils 22 Schüler umfassen werden. Die Grundschulempfehlung spiele bei der Aufnahme keine Rolle. „Wir haben umgestellt auf eine Orientierungsstufe in den Klassen vier bis sechs“, sagt Merz. „Die endgültige Entscheidung, ob das Kind gymnasialreif ist, treffen wir in Klasse sechs – es gibt einfach Spätzünder.“ Der Knackpunkt sei die Klasse sechs mit der zweiten Fremdsprache – „da erkennt man, ob das Kind auch lernwillig genug ist fürs Gymnasium“.

In der Orientierungsstufe bietet die Merzschule einen der beiden Züge als verpflichtenden Ganztagszug an. Das schlägt für die Teilnehmer mit 550 statt der üblichen 415 Euro an monatlicher Gebühr zu Buche. Als Besonderheit führe man im nächsten Schuljahr die Möglichkeit ein, statt der zweiten Fremdsprache in Klasse sechs das Fach Naturwissenschaft und Technik (NWT) zu wählen – und erst in der achten Klasse mit der zweiten Fremdsprache zu beginnen.

Stuttgarter Waldorfschulen führen Wartelisten

Für die vier Waldorfschulen in Stuttgart mit insgesamt rund 2600 Schülern ist die Landeshauptstadt als Geburtsstätte der Waldorfbewegung nach wie vor ein gutes Pflaster. Klassischerweise erfolgt der Einstieg allerdings bereits nach dem Kindergarten. „In den Stuttgarter Schulen gibt es in den ersten Klassen meistens Wartelisten“, berichtet Vincent Schiewe von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen. Nachgerückt werden könne nur, „wenn jemand abspringt“. Ohnehin sind die Klassen mit 30 bis 35 Schülern vergleichsweise groß. Dennoch steigt die Nachfrage nach dem anthroposophisch ausgerichteten Schultyp in Stuttgart stetig – die Waldorfschule im Silberwald ist noch im Aufbau. „Im Baden-Württemberg-Trend haben wir leicht sinkende Zahlen“, so Schiewe. Die Schulgebühr sei von Schule zu Schule unterschiedlich – zwischen 160 und 200 Euro.

Eine gleichbleibende Nachfrage meldet die Freie Aktive Schule in Degerloch, die bis 2012 im Aufbau war, auf Reformpädagogik und Eigenverantwortlichkeit setzt und auf Klingel, Noten und Sitzenbleiben verzichtet. „Wir bewegen uns stabil rund um etwa 105 Schüler“, berichtet Mitbegründerin und Geschäftsführerin Gaby Groß. Wohlgemerkt: insgesamt. Das bedeutet von der ersten bis zur zehnten Klasse. Aktuell gebe es 15 Anmeldungen, darunter auch Wechsler aus anderen Schulen. Das Ziel: „Wir unterstützen die Schüler, sich auf Hauptschulprüfung und mittleren Abschluss vorzubereiten“, so Groß. Die Mindestschulgebühr fürs erste Kind liegt bei 200 Euro.

Exklusivste Bildungsstätte ist in Degerloch

Auch Stuttgarts exklusivste Bildungsstätte befindet sich in Degerloch. An der International School sind je nach Jahrgang zwischen 13 100 und 15 500 Euro Schulgebühr fällig – pro Nase und Jahr. Das angelsächsische Schulsystem mit Unterrichtssprache Englisch hat eben seinen Preis. Dennoch steigt die Nachfrage kontinuierlich, mittlerweile auf fast 800 Schüler. Doch den Anteil derer, die dauerhaft in Stuttgart wohnen, schätzt eine Schulsprecherin auf „unter zehn Prozent“. Dennoch gebe es auch Wechsler: „Ab und zu kommen Schüler aus anderen Stuttgarter Privatschulen.“