Campingtouristen erwarten heutzutage deutlich mehr Komfort als früher – Die Anlagenbetreiber rüsten daher auf. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Camping liegt im Trend. Das beschert der Branche beim Umsatz wie bei den Übernachtungszahlen Rekorde. Derzeit spülen sogenannte Glamper viel Geld in die Kassen: Sie campen glamourös.

Stuttgart - Camping-Hasser? Oder Camping-Liebhaber? Laut einer Forsa-Umfrage halten sie sich in Deutschland die Waage. Demnach verreist jeder Zweite gern mit Wohnmobil, Caravan oder Zelt – und die anderen 50 Prozent eben nicht. Was die einen kuscheligfinden, ist den anderen zu ungemütlich. Die Branche stört die ablehnende Haltung wenig. 2014 waren die deutschen Campingplätze wieder brechend voll. Im Vergleich zu 2013 gab es 7,2 Prozent mehr und damit 27,9 Millionen Übernachtungen. „Das neue Jahr ist mit 18 Prozent mehr Übernachtungen als im Vorjahreszeitraum gut gestartet“, sagt Dirk Dunkelberg. Er leitet beim Deutschen Tourismusverband (DTV) den Fachausschuss Camping und Caravaning.

Vier Fünftel der Übernachtungen in Deutschland gehen auf deutsche Camper zurück. Und die haben zugleich so viele Wohnmobile und Caravans gekauft wie lange nicht. Die Zahl der Neuzulassungen ist in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um mehr als acht beziehungsweise zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. „Der Caravan erlebt ein fulminantes Comeback“, jubeln die Mitglieder des Caravaning-Industrie-Verbands (CIVD). Bundesweit sind rund 1,5 Millionen Reisemobile und Caravans zugelassen.

Campingtouristen sind reiseerfahren und anspruchsvoll

Und die Campingplatz-Betreiber? Die freuen sich über Touristen, die immer mehr Komfort erwarten. Mit Isomatten, Plumpsklos und Gemeinschaftsduschen lassen sie sich kaum noch locken. Auch Camper geben deshalb entsprechend viel Geld aus. „Der moderne Gast ist reiseerfahren und anspruchsvoll“, sagt Dunkelberg. Die Betreiber der 2857 Plätze hierzulande hätten sich darauf eingestellt und investierten in Sanitäranlagen, Service und Unterhaltungsangebote. Dunkelberg: „Sie spezialisieren sich zum Beispiel auf Gesundheits- und Wellnessangebote. Sie bieten Kinderbetreuung oder gehobene Gastronomie.“

Auf etlichen Campinganlagen stehen zunehmend auch Luxuszelte, Hütten und Schlaffässer zum Mieten. Unterkünfte mit Geschirrspüler und Badewanne bevorzugen vor allem gut betuchte Camper: Eine Woche im Baumhaus etwa kostet bis zu 1000 Euro. „Urlauber möchten nicht auf den heimischen Luxus verzichten und dennoch mitten in der Natur sein. Andere wollen entspannt ohne Wohnwagen in den Campingurlaub fahren, aber die Annehmlichkeiten eines solchen Urlaubs nicht missen“, erklärt Franziska Köglmeier vom Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD) den Trend Glamping. Der Begriff setzt sich zusammen aus Glamour und Camping. „Mietobjekte auf Campingplätzen sind gefragter denn je“, sagt Köglmeier.

Laut Dunkelberg vom Tourismusverband mieten viele Rad- und Motorradurlauber, die nur ein paar Nächte bleiben, oder Gäste, die ihre campende Familie oder campenden Freunde besuchen, feste Unterkünfte.

Vorurteil Trägheit

Grundsätzlich trifft man auf Campingplätzen aber Menschen jeden Alters und aus jeder Schicht. Familien mit Kindern, Paare mit Hund, rüstige Rentner. Jugendliche campen gern auch in Gruppen oder mit nur einem Elternteil. „Das gute alte Zelt hat längst nicht ausgedient. Auf die Plätze kommen vermehrt Väter mit Kindern, die über ein verlängertes Wochenende einen Hauch von Abenteuer suchen“, sagt Dunkelberg. Viktoria Groß vom Camping-Club stellt fest: „Egal, ob man Sport treiben will, Action sucht, eine Kur machen oder es gemütlich angehen möchte – die Art, wie man campt, ist nur durch den Geldbeutel festgelegt.“

Der Tübinger Kulturwissenschaftler Matthias Badura schreibt in seiner Doktorarbeit „Camping als Urlaubsform“ (aus dem Jahr 2010), Campern werde gemeinhin abgesprochen, was sie von sich selbst behaupteten: dass ihr Aufenthalt auf dem Campingplatz erlebnisreich sei. Zu Unrecht. Denn obwohl Camper in der Außenwahrnehmung oft „untätig vor ihren Wohnwagen und Zelten sitzen“, ist es ein Trugschluss zu glauben, sie langweilten sich, so Badura. Die Ferienträgheit werde ganz bewusst inszeniert und auch in anderen Urlaubsformen regelrecht gepflegt. „Camping befriedigt das Bedürfnis nach zwei Dingen, die in der Alltagswelt eher verpönt sind. Dies sind die entspannte Untätigkeit sowie das Beobachten anderer Menschen und ihrer sozialen Interaktionen“, sagt Badura, der eine „Lust am Alltäglichen und Banalen“ bei den Beobachtern vermutet. „Sie nehmen an Szenen teil, die ihrer eigenen Lebenswelt entsprechen. Im Grunde betrachten sie sich selbst.“

Camper landen an den besten Orten

Trotzdem – oder gerade deswegen – gelten Camper als gesellige, offene Menschen. „Auf Campingplätzen kommt man schnell ins Gespräch, schließt rasch Freundschaften und unternimmt viel gemeinsam“, sagt Camping-Experte Peter Rulf. Auch Neulinge würden wie selbstverständlich in die Gemeinschaft aufgenommen. Aus Rulfs Sicht ist Camping auch deshalb so beliebt, weil es Freiheit und Unabhängigkeit verschafft. „Die Naturliebhaber können draußen sein, ohne an eine Uhrzeit gebunden zu sein.“ Sie lassen den Alltag hinter sich und haben doch alles Nötige dabei. Kurztrips verbringen sie laut Rulf am liebsten in Deutschland, im Urlaub fahren sie nach Italien, Frankreich und in die Niederlande.

Wo auch immer Camper halten, sie landen an den besten Orten. „Campingplätze liegen oft in der ersten Reihe. Viele entstanden in den 50ern in Top-Lagen, wo dann kein Hotel mehr hinpasste“, sagt Viktoria Groß vom Camping-Club. Die Traumlage gab’s damals noch günstig. In der Nachkriegszeit hatten die Deutschen kaum Geld für Urlaub – und Camping wurde zum Massenphänomen.