Bereits bei seinem Amtsantritt im Juni kam der spanische Ministerpräsident zum Besuch nach Berlin, wo er von Kanzlerin Merkel empfangen wurde. Foto: dpa

Merkel besucht Pedro Sánchez für ein „Arbeitswochenende“ in Andalusien. Die Christdemokratin und der Sozialist verstehen sich.

Madrid - Wenn Angela Merkel neben Pedro Sánchez steht, strahlt sie. Vielleicht ist es Zufall, dass die Fotografen immer entspannte Momente zwischen der deutschen Bundeskanzlerin und dem spanischen Ministerpräsidenten erwischen. Der neue spanische Staatschef bescheinigt zumindest ein gutes Verhältnis. Es gebe eine „positive und konstruktive Beziehung“ zwischen Spanien und Deutschland.   Das sollte ja der Normalfall sein.

Seit der Rückkehr Spaniens zur Demokratie nach dem Tod des Diktators Francisco Francos Ende 1975 haben die beiden Länder ein gutes Verhältnis. Zwei, die besonders gut miteinander konnten, waren Felipe González und Helmut Kohl. Dem Kanzler traten noch Jahre später Tränen der Rührung in die Augen, wenn er daran erinnert wurde, wie ihm González zur Wiedervereinigung gratulierte – die der Spanier, anders als einige andere Europäer, rückhaltlos begrüßte. Dass der Sozialist González und der Christdemokrat Kohl zwei unterschiedlichen politischen Familien angehörten, änderte nichts an ihrem Einverständnis.  

Vorgänger Rajoy war treuer Verbündeter Merkels

So sieht es nun wieder aus. Sánchez‘ konservativer Vorgänger Mariano Rajoy stand im Ruf, einer der treuesten Verbündeten Merkels zu sein, doch ihre Beziehung war höchstens eine platonische. Rajoy machte Merkel während der schweren Wirtschaftskrise keinen Ärger, er gehörte nicht zu denen, die alle Übel Europas der deutschen Kanzlerin und ihrem Finanzminister anlasteten. Ansonsten hielt sich Rajoy aber gerne aus der internationalen Politik heraus. Vielleicht war er nicht zum Politiker geboren. Nachdem Sánchez ihn Anfang Juni per Misstrauensvotum gestürzt hatte, kehrte Rajoy fluchtartig auf seinen Posten als Grundbuchbeamter zurück, den er 28 Jahre zuvor verlassen hatte.   Vom Sozialisten Sánchez könnte man sich eine solche Geste nicht vorstellen.

Er will Politik machen. Und er will eine gewichtige Stimme in Europa sein. Nach seinem Antrittbesuch in Berlin am 26. Juni gab der Madrider Moncloa-Palast die Meldung heraus: „Pedro Sánchez vereinbart mit Angela Merkel, die Konstruktion Europas wiederzubeleben.“ Selbstbewusstsein gepaart mit Optimismus. Das ist der richtige Mann für Merkel. Das internationale politische Umfeld ist heute ein anderes als zu Kohls und González‘ Zeiten.

Spanien sieht Flüchtlingsthema nicht als Krise

Das Projekt Europa ist gefährdet. Sánchez‘ Außenminister Josep Borrell gab dem deutschen Handelsblatt ein Interview, in dem er unter anderem die „brutale Abschottungspolitik“ des italienischen Außenministers Matteo Salvini gegen Migranten beklagte, „eine Politik nicht nur auf Kosten von Spanien, sondern auf Kosten ganz Europas“. Als der Angesprochene davon erfuhr, wetterte er über die „Beleidigungen“ des Spaniers, der für eine „außer Kontrolle geratene Immigration“ stehe. Aber im Grunde genommen sei ihm das egal. „Wenn mich Trump oder Putin angreifen würden, würde ich mir Sorgen machen“, denn die arbeiteten sehr wohl „für das Interesse ihrer Völker.“

In der gemeinsamen Abgrenzung gegen einen Autokratenfreund wie Salvini spielt es keine Rolle, dass Merkel Christdemokratin und Sánchez Sozialist ist. Ihre Haltung zur Migration ist eine ähnliche: offene Arme für Flüchtlinge, schnelle Rückführung von illegal eingereisten Arbeitsmigranten. Aber eben keine „brutale Abschottung“. In Spanien kommen gerade so viele Bootsmigranten und Zaunspringer wie seit zwölf Jahren nicht mehr an, doch die Zahl ist mit rund 25 000 in diesem Jahr noch immer überschaubar. Die Migration wird, anders als in Deutschland, nicht als „Krise“ begriffen sondern als Herausforderung. Merkel wird Sánchez diesen Samstag für ein „Arbeitswochenende“ im andalusischen Sanlúcar de Barrameda besuchen. Nicht weit von dort kommen fast täglich Migrantenboote aus Nordafrika an. Es gibt einiges zu besprechen.