Die westliche Militärallianz Nato baut weltweit zwei neue Kommandozentren für Truppen- und Materialtransporte auf – eines davon in Ulm. Damit kommt dem dortigen Kommando im Bündnisfall eine besondere Bedeutung zu.
Ulm - Seit Monaten wird darüber spekuliert. Nun hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erstmals offiziell bestätigt, dass die westliche Militärallianz am Standort Ulm eines von zwei neuen Kommandozentren einrichten will. Nach einer Aktivierung im Bündnisfall wird dieses künftig die Truppen- und Materialtransporte in Europa beschleunigen und ihren Schutz koordinieren.
Damit soll die Reaktionsfähigkeit der Nato bei einer militärischen Eskalation an der europäischen Ostflanke verbessert werden – als Konsequenz der unberechenbaren russischen Politik im Kreml. Nach dem Ende des Kalten Kriegs waren die Verlegefähigkeiten der Allianz sukzessive zurückgefahren worden. Wegen der unterschiedlichen nationalen Regelungen und baulichen sowie technischen Gegebenheiten ist es mittlerweile zudem ein großes Problem, militärisches Gerät zügig durch Europa zu transportieren. Damit einhergehend will die EU mit mehreren Milliarden Euro die Verkehrswege für das Militär besser nutzbar machen.
Leitungsaufgaben für EU und Nato
Formal wollen die Nato-Verteidigungsminister den Aufbau des Logistik- und Nachschubkommandos bei ihrem zweitägigen Treffen bis Freitag in Brüssel beschließen. Das zweite Zentrum soll in Norfolk (US-Staat Virginia) aufgebaut werden, um den Materialtransport zwischen Nordamerika und Europa zu optimieren. Aus Ulm selbst gibt es noch keine Stellungnahme. Klar ist jedoch, dass man sich auf die neue Aufgabe bereits vorbereitet. Bis zu 500 Soldaten sind im Friedensfall für das Kommandozentrum vorgesehen – zumeist aus der Bundeswehr.
Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) nannte die Nato-Bestätigung eine „hervorragende Nachricht für ganz Baden-Württemberg“. „Ulm liegt nicht nur strategisch im Herzen Europas, sondern bringt die unverzichtbare Erfahrung als Standort eines Hauptquartiers mit“, so der Minister.
Denn die Wilhelmsburg-Kaserne ist schon der Standort des Multinationalen Kommandos Operative Führung, das Aufgaben für Nato und Europäische Union übernimmt. Erst Mitte Mai hatten die Ulmer im norwegischen Stavanger den „Nato-Tüv“ für Kriseneinsätze bestanden. Nun wird das Kommando von Juli an ein Jahr lang in ständiger Bereitschaft als „operatives Hauptquartier“ zur Verfügung stehen. In dieser Phase können die Ulmer jederzeit mit der Führung von Nato-Operationen in Krisenregionen mit bis zu 60 000 Soldaten beauftragt werden.
Keine neue Eingreiftruppe
Vor Tagen hatte es Meldungen über eine neue Nato-Eingreiftruppe neben der Nato Response Force (NRF) gegeben. Stoltenberg zufolge handelt es sich faktisch allerdings um 90 Verbände von Heer, Luftwaffe und Marine (30 Heeresbataillone, 30 Kampfjet-Geschwader und 30 größere Kriegsschiffe). Diese sollen bis 2020 binnen maximal 30 Tagen einsatzfähig sein und die sogenannte Nato-Speerspitze – die Einsatztruppe mit sehr hoher Einsatzbereitschaft (VJTF) – ergänzen. Bei dem Bereitschaft-Pool von bis zu rund 30 000 Soldaten geht es folglich nicht um etwas Neues, sondern um die erhöhte Einsatzbereitschaft bestehender Verbände.
Vor allem die USA dringen in der Nato auf eine schnellere Reaktionsfähigkeit, um die Abschreckung gegenüber den Russen zu verstärken. Die Nato hat bereits 4000 Soldaten an ihrer Ostflanke in Polen und im Baltikum stationiert.