Düster und traurig-schön ist das Musical „Der Glöckner von Notre Dame“. Die Stars dieser Show lieben’s auch schräg. Ihr „Quatsch mit 3“ im Varieté wurde zum turbulenten Fantreffen. Es gab ein Wiedersehen mit David Jakobs, dem hochgelobten Quasimodo der Premiere.
Stuttgart - So manches hat Timo Steinhauer, der Geschäftsführer des Friedrichsbau Varietés, in seinem Theater schon erlebt – so eine Schlange durchs gesamte Foyer aber noch nie. Es ist eine Schlange vorm Örtchen.
Ausreichend bekannt ist, dass Frauen niemals allein aufs Klo gehen – warum aber an diesem Abend alle zusammen?
Ach, die Show mit drei Helden des Musicals ist so mit- wie auch hinreißend, dass keine der Mädels früher raus will und jede auf die Pause wartet. Anders als in der Welt des Sports stehen in der Welt der Show Minderheiten zu dem, was sie sind. Reden wir nicht drumrum: Männer sind eine winzig-kleine Minderheit! Zumindest in dieser witzigen, stürmischen, temperamentvollen und ausschweifigen Friedrichsbau-Nacht. Das Programm „Quatsch mit 3“ ist kein Quark, sondern erste Sahne, in Text und Ton.
Bei Facebook hat’s mit dem Quatsch angefangen
Bei einem Frauenanteil von mindestens 85 Prozent kann es nicht anders sein, als dass es die Schlange vor der Damentoilette schafft, einen Rekord in der Geschichte des Stuttgarter Varietés (die geht immerhin bis ins Jahr 1898 zurück) aufzustellen. Da haben wir’s wieder mal: Stimmgewaltige und schöne Musicalmänner machen Mädels jeden Alters happy!
„Quatsch mit 3“ – als Internet-Live-Programm bei Facebook hat’s angefangen. Die drei Musicalstars David Jakobs (der 35-Jährige spielte in Berlin, München und bis Mai in Stuttgart den Glöckner), Felix Martin (der 53-Jährige ist im Notre-Dame-Musical der Erzdiakon Frollo und auch mit Solo-Shows gefragt, etwa am 15. Oktober im Renitenz-Theater) und Maximilian Mann (der 30-Jährige verkörpert die Rolle der Phoebus) sind ziemlich beste Freunde. Dass sich die drei privat super verstehen, erlaubt auf der Bühne so manche Spontanität – als wären sie daheim auf dem Sofa. Der Erfolg mit ihrer Quatsch-Live-Übetragung bei Facebook hat dazu geführt, die Sache nun erstmals vor analogem Publikum aufzuführen. Christina Lucia Semrau, Botschafterin des Kinderhospizes und mit den drei Musicalspaßvögeln befreundet, hat das ungewöhnliche Konzert – oder muss man sagen die Chaos-Nacht der Überraschungen?– organisiert.
David Jakobs geht zu „Catch Me If You Can“
Die Fans freuen sich besonders auf das Wiedersehen mit David Jakobs, der bei der Glöckner-Premiere in Stuttgart als überragender Quasimodo Tränen in Kritiker-Augen trieb. Noch immer macht die Stage mit seinem Foto großflächig Werbung für die Disney-Show, obwohl der 34-Jährige längst weitergezogen ist. Gerade spielt er bei „Les Misérables“ in Tecklenburg und wechselt im Oktober zu „Catch Me If You Can“ nach Nürnberg. Eigentlich wollte Jakobs zurück zum Glöckner. Doch sein Körper widersetzt sich. Die täglichen Auftritte in gekrümmter Haltung gingen schmerzvoll ins Kreuz.
Nun steht der Blondschopf als Strahlemann aufrecht auf der Varieté-Bühne. Das Publikum im ausverkauften Haus (es dürfen so viele rein, wie der Brandschutz gerade noch erlaut) tobt, als falle der Euro Song Contest, die Popsensation des Jahres und der CSD auf einen Tag. Jakobs und seine beiden Lieblingskollegen singen mit Band hammerstark, was sie weit weg vom Musical einfangen. Wenn es doch mal ein „Glöckner“-Lied ist, darf das Publikum entscheiden, in welcher Version sie es vortragen sollen, etwa als Udo Lindenberg oder Roger Cicero.
Lange Schlange vor dem Autogrammtisch
Drei Rampensäue haben selbst viel Spaß, wenn sie etwa im Schlager-Glitzer-Kostüm seifenblasenpustend durch den Saal toben oder Fragen beantworten. Dabei vergessen sie die Zeit. Gegen halb zwölf findet der flotte Quatsch-Dreier doch noch das Ende – eine halbe Stunde, bevor das Parkhaus schließt. Im Foyer bildet sich erneut eine lange Frauenschlange. Nicht das Damenklo ist jetzt das Ziel, sondern der Autogrammtisch des Trios. Die große Musicalfamilie feiert ihre Helden. Quatsch hat einen tollen Klang. Bitte mehr davon!