Im Blue Star sind die Kinogänger durch das Soundsystem Dolby Atmos von einer nahtlosen Klangkulisse umgeben Foto:  

Manche bezeichnen ihn als Kinomogul. Dabei reagiert Heinz Lochmann aus Rudersberg doch meist nur auf flehentliche Bitten, heruntergekommene Lichtspielhäuser vor dem Untergang zu retten. Jetzt aber steht ein Neubau an – in Leonberg an der Autobahn.

Manche bezeichnen ihn als Kinomogul. Dabei reagiert Heinz Lochmann aus Rudersberg doch meist nur auf flehentliche Bitten, heruntergekommene Lichtspielhäuser vor dem Untergang zu retten. Jetzt aber steht ein Neubau an – in Leonberg an der Autobahn. Zum Kinoprogramm für Stuttgart.

Stuttgart - Herr Lochmann, die Branche zittert, das Kinosterben scheint unaufhaltsam.
Ach was, Kino hat immer Zukunft. Sicher gibt es gerade in kleineren Städten Probleme, vor allem, wenn die Betreiber ihre Häuser nicht auf dem aktuellen Stand halten können. Das ist aber ja auch schwierig. Bisher hat’s vielleicht gerade so gereicht fürs Leben, aber wenn man für die digitale Umrüstung pro Saal 70 000 Euro in die Hand nehmen muss, dann sind das bei drei Sälen mehr als 200 000 Euro. So was muss erst mal erwirtschaftet sein. Die 35-Millimeter-Projektoren haben früher zehn Jahre gehalten und dann noch mal zehn Jahre. Doch bei den neuen digitalen muss man ja immer wieder nachrüsten, aber wer kann schon alle paar Jahre solche Summen in die Hand nehmen.
Außerdem gibt’s immer größere Bildschirme zu Hause im Wohnzimmer.
Und doch kann das nicht das Kino ersetzen. Warum gehen die Leute denn dorthin? Weil man rauskommt, weil es anders ist als daheim. Es ist doch was Schönes, gemeinsam einen Film anzugucken, vielleicht vorher oder danach noch in die nebenan gelegene Pizzeria zu gehen. Das ist ähnlich wie beim Public Viewing. Ich kann mir natürlich das Endspiel alleine zu Hause im Wohnzimmer reinziehen. Stattdessen geht man auf überfüllte Plätze, steht mitten in der Masse, vielleicht im Soich (Schwäbisch für Regen) – und trotzdem kommen Zehntausende. Ähnlich ist es beim Film, ein solche Gemeinschaftserlebnis haben Sie im Heimkino nicht.
Angst, dass Sie sich finanziell übernehmen, kennen Sie wohl nicht?
Natürlich habe ich erhebliche Schulden. Und bei jedem Projekt überlegen wir uns immer: Brengt des was, oder mached mr besser nix. Also, da wird schon intensiv durchleuchtet. Andererseits, wenn Sie immer nur abwägen und zögern, geht ja auf der Welt gar nichts voran. Da können Sie prüfen, wie Sie wollen: Irgendwann muss die Entscheidung fallen. Wenn ich immer nur Angst habe, muss ich es halt bleiben lassen. In der Regel jedenfalls verlasse ich mich fast immer auf mein Bauchgefühl.
Und deshalb sammeln Sie ein Kino nach dem anderen, Journalisten bezeichnen Sie gar als Großwesir des regionalen Kinoschaffens. Haben Sie überhaupt noch den Überblick?
Tja, ich gebe zu, manchmal wird’s mit dem Zählen schon schwierig. Aber Spaß beiseite. Ich sammle ja nicht Kinos, sondern werde zumeist angesprochen, ob ich nicht helfen könnte. Und wenn ich mich von einer Idee begeistern lasse, dann muss ich einfach alles tun, dass sie auch umgesetzt wird. Es geht mir nicht um Raffgier, wie’s mal scherzhaft hieß, sondern immer um die Leidenschaft und Liebe fürs Kino. Ich bin selbst der größte Film-Fan. Es freut mich jedes Mal, wenn ich die Besucher mit leuchtenden Augen aus dem Kinosaal kommen sehe.
Diese Leidenschaft war’s auch, als Sie vor einigen Jahren dem Passage-Kino in Hamburg zur Wiedergeburt verholfen haben?
Auch da hat mich eine Bekannte angesprochen, als es hieß: Wie kann man dieses älteste Kino Deutschlands retten? Ich bin also hoch, wir haben uns sofort gut verstanden. Und so hat Hamburg ein Schmuckstück mit drei Sälen und 760 Plätzen zurückbekommen, mit plüschigem Foyer und eingerichtet im Art-déco-Stil. Bei der Eröffnung war der ganze Bauzaun rundherum vollgeschrieben mit Danksagungen, im Hamburger „Abendblatt“ stand die Schlagzeile: „Passage gerettet! Ein Schwabe investiert 1,7 Millionen Euro, Hamburger sind begeistert“. Und die „Welt“ schrieb vom „Cineasten aus Leidenschaft“, damit meinten sie mich.
Dann gibt’s noch das Kant Kino in Berlin, derzeit engagieren Sie sich auch in Hannover.
Stimmt. Gemeinsam mit Hans-Joachim Flebbe machen wir dort aus dem ehemaligen, zuletzt leerstehenden Cinemaxx Europas größtes Premiumkino, mit Ledersesseln, Kellnern, die am Platz bedienen, und einer Empfangs-Lounge. Weihnachten 2014 soll es losgehen. Damit ist eigentlich das Maximum erreicht, nach Hannover möchte ich endlich mal Ruhe einkehren lassen.
Daraus wird aber nichts. Der nächste Traumpalast ist in Sicht, wieder in der Region Stuttgart, in Leonberg am Autobahndreieck.
Stimmt, Sie haben Recht, es geht immer weiter. Leonberg war für mich aus dem Wieslauftal immer am anderen Ende der Welt. Aber eines Morgens habe ich mir unter der Dusche gesagt: Des machsch! Ein Kino mit Autobahnanschluss, das ist eine Chance.
„Hollywood in Leonberg“ hieß es in einer Schlagzeile. Die Vorfreude vor Ort scheint jedenfalls groß zu sein?
Zumindest sagt Oberbürgermeister Bernhard Schuler, das neue Kino werde die Lebensqualität in Leonberg erheblich verbessern. Oder wenn mir der CDU-Gemeinderat eine Mail schreibt: „Ich verspreche nicht, dass man Sie auf Händen tragen wird. Aber wenn es klappt, sind Sie der Größte.“ Schließlich gibt es seit fünf Jahren kein Kino mehr in Leonberg. 1320 Sitzplätze in zehn Kinosälen sind vorgesehen, die Hälfte mit 3-D-Ausstattung. Die Außenfassade des zweistöckigen Baus wird konkav, wie eine Kinoleinwand. dazu zwei Lokale, eins für die Jüngeren, das andere als klassisches Restaurant. Wir investieren sieben bis acht Millionen Euro. Die Zielvorgabe für die Eröffnung ist das Jahresende 2015, das wäre nicht schlecht, denn von den Weihnachtsfeiertagen bis zu den Heiligen Drei Königen gehen die Leute ohnehin gerne in die Kinos.
Und alles zwar nicht vom Tellerwäscher, aber doch vom Bäckerlehrling zum Kinomogul?
Schon als Kind war ich begeistert von Leinwänden, Kinosesseln und Popcorn. Meine Tante hatte das Kino in Rudersberg, da war ich natürlich oft. Mit 14 habe ich die Ausbildung zum Bäcker gemacht, bei meinem Vater. Als meine Tante gestorben war, haben mein Bruder und ich uns um ihr Kino gekümmert – also morgens um vier in die Backstube, danach Arbeit in einer Lohnmosterei, anschließend bis tief in die Nacht im Kino. So mit 30 Jahren war’s dann mit dem Backen endgültig vorbei, und ich habe mich nur noch aufs Kino konzentriert.
Einmal Rudersberger, immer Rudersberger – in die Großstadt zieht es Sie wohl nicht?
Vor 54 Jahren bin ich in Schorndorf geboren, vier Tage später ging’s nach Rudersberg, hier lebe ich mit Frau und zwei Kindern bis heute. Und das kleine Kino gibt’s auch noch, das ist die Heimat, das Stammhaus, die Wiege aller späteren Traumpaläste, die Löwenlichtspiele eben, die gibt man nicht auf.
Und Ihre Filmbegeisterung ist ungebrochen?
Natürlich, ich guck immer alles. Ich muss doch wissen, was ankommt. Aber die Jüngeren haben vielleicht eine andere Sichtweise, deshalb ist es gut, dass mein Sohn Marius mit seinen 21 Jahren langsam einsteigt.
Ihr Lieblingsfilm soll „Pretty Woman“ mit Julia Roberts sein – tatsächlich?
Das stimmt so nicht. Ich habe das nur mal als Beispiel gewählt für einen hervorragend gemachten Film, der den Nerv des Publikums trifft, ähnlich wie „Dirty Dancing“ oder „Body Guard“. Ich bin natürlich ein Kinofreak, in mir steckt schon etwas Rebellisches. Aber ich unterscheide mich auch von den Programmkinofans, die die ganz kleinen Filme ganz genial finden. Im Kino geht es um Lachen und Weinen, um das Gemeinschaftserlebnis, um Gefühlskino.
Also, welcher Streifen ist Ihr Favorit?
Nun, in jüngerer Zeit war „Avatar“ schon der Hammer. Aber ansonsten gibt’s nur zwei Klassiker, die bei mir ganz oben stehen: Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ von 1968 mit Henry Fonda, Charles Bronson und Claudia Cardinale. Und absolut top „Ben Hur“ von 1959, 212 Minuten lang, mit Charlton Heston in der Titelrolle. Für mich bis heute unerreicht. Die elf Oscars hat bis heute niemand übertroffen, zu Recht.