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Das derzeit aufwendigste Bauprojekt der SSB liegt im Dunkeln: In einem 1,1 Kilometer langen Tunnel soll die U 15 Zuffenhausen unterqueren.

Stuttgart - Das derzeit aufwendigste Bauprojekt der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) liegt im Dunkeln: In einem 1,1 Kilometer langen Tunnel soll die Linie U 15 das Zuffenhausener Ortszentrum unterqueren. Ende 2011 sollen die ersten Bahnen auf der Trasse bis Stammheim rollen. Die Kosten betragen 105 Millionen Euro.

Auf zwei Großbaustellen entstehen derzeit neue unterirdische Stadtbahntrassen. Während im nördlichen Stadtteil Fasanenhof der Tunnel für die Verlängerung der U 6 bis ins Gewerbegebiet Schelmenwasen bereits im Rohbau steht, graben sich am anderen Ende der Stadt in Zuffenhausen die Bagger noch durch den Untergrund. Der dortige vierte Bauabschnitt für die U15 in Richtung Stammheim gilt als eines der kniffligsten Stadtbahnprojekte in der Landeshauptstadt. Der 1,1 Kilometer lange Tunnel unterquert das eng bebaute Ortszentrum Zuffenhausens, vom Tunnelmund am Bezirksrathaus führt er mitten durch die Einkaufsmeile Unterländer Straße. Aufgrund der engen Straßen reichen die Tunnelwände dort direkt bis an die Häuserzeilen.

Aufwendige Leitungs- und Kanalverlegung sowie Sicherungsmaßnahmen sorgen dafür, dass die reinen Tiefbaukosten für den unterirdischen Streckenabschnitt rund 50 Millionen Euro betragen. Die Planer mussten sich dabei mit den Platzverhältnissen arrangieren. Weil die Tunneldecke stellenweise nur einen Meter unter dem Fahrbahnniveau liegt, wählten die Ingenieure für diesen 431 Meter langen Abschnitt in der Unterländer und Ludwigsburger Straße die offene Bauweise. Östlich der Kirchtalstraße unterquert die U-15-Trasse bis zur Stammheimer Straße auf einer Länge von 581 Metern in einem bergmännisch gebauten Tunnel die Güglinger Straße, die Bundesstraße B10/27 und die Bahngleise. Die Überdeckung des Tunnels beträgt hier bis zu 4,4 Meter.

Seit im August 2008 der Startschuss für den Bau des Stadtbahntunnels fiel, dominieren Bagger und Bauschranken das Zentrum von Zuffenhausen. "Der Tunnelabschnitt in der Unterländer Straße wird in Halbdeckelbauweise hergestellt", erläutert Oberbauleiter Dieter Kühnle vom städtischen Tiefbauamt, wie man Autos und Fußgängern auch während der Bauphase noch Platz im beengten Straßenraum belässt. Im ersten Schritt bohrten Bagger im Abstand von anderthalb Meter entlang der künftigen Tunnelwände rund 550 Bohrpfähle, die bis in 14 Meter Tiefe mit Beton ausgefüllt werden. Anschließend wird auf einer Straßenseite der Boden bis zur künftigen Unterkante der Tunneldecke ausgehoben. In Zehn-Meter-Abschnitten wird die Tunneldecke, die auf den Pfahlreihen aufliegt, halbseitig betoniert. Die gegenüberliegende Straßenseite bleibt im Einbahnverkehr offen. Sobald der Halbdeckel auf 50 Meter Länge ausgehärtet und das Erdreich darüber wiederaufgefüllt ist, wiederholt sich das Spiel auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Verkehr wird über den fertigen Halbdeckel umgeleitet.

"Wir bemühen uns, Rücksicht auf Anwohner und Geschäftsleute zu nehmen", betont Kühnle. Notfalls mit Behelfsbrücken bleiben Häuser und Läden erreichbar. Ein Bürgertelefon ist geschaltet, über das zwei- bis dreimal täglich Anfragen eingehen. "Wir wollen den Baufortschritt offen kommunizieren", so Kühnle. Hoffnung auf ruhigere Zeiten kann der Oberbauleiter schon jetzt machen. "Auf der nördlichen Straßenseite ist der Deckel komplett, die Südseite ist bis zur Hälfte betoniert." Bis Mai 2010 soll die Tunneldecke auf der gesamten Länge fertig sein. Im kommenden Oktober soll die Unterländer Straße mit neuen Straßen- und Gehwegbelägen wieder eine Einkaufsstraße ohne Hindernisse sein. Weitgehend unbemerkt gehen parallel dazu die Arbeiten im Untergrund von Zuffenhausen weiter. Insgesamt rund 70.000 Kubikmeter Gipskeuper müssen für die Tunnelstrecke ausgegraben werden. Mit 7000 Lkw-Fuhren wird der Abraum beim Bau von Lärmschutzwällen an Autobahnen entsorgt.

Wo die Tunneldecke in der Unterländer Straße bereits beidseitig fertig ist, graben Bagger den Tunnel zwischen den Pfahlwänden bis zur Sohle aus. Danach werden Wände und Sohle betoniert. Bis zu vier Tunnelmeter am Tag schaffen die Bauarbeiter im Zweischichtbetrieb rund um die Uhr. Zum Jahreswechsel sind vom neuen Stadtbahntunnel ab Rampe Ludwigsburger Straße bereits rund hundert Meter erstellt. Knochenfunde unweit des Bezirksrathauses verzögerten anfangs die Arbeiten. Die Kriminalpolizei stellte die Gebeine sicher, die offenbar von einem alten Friedhof an dieser Stelle stammen.

Am anderen Ortsende treiben Arbeiter die bergmännisch erstellte Tunnelröhre voran. Sie wird in zwei Teilen hergestellt. Seit Februar wird die Kalotte, der obere Teil der Röhre, aufgefahren. Im Oktober begannen die Arbeiten für die Stosse, die Tunnelsohle. Der Tunnel verfügt über eine 25 Zentimeter dicke Außenschale aus Spritzbeton. Die Stahlbeton-Innenschale ist vierzig Zentimeter dick. "Den Durchschlag erwarten wir bis Anfang Juni", erwähnt Kühnle, wann sich die Tunnelbauer von beiden Seiten begegnen sollen. Bis nächsten August soll die Innenschale der Röhre komplett betoniert sein. "Im Dezember 2010 wollen wir mit dem gesamten Tiefbau fertig werden", so Kühnle. Anschließend rücken die Gleisbauer an. Bis zur zweiten Jahreshälfte 2011 sollen Schienen gelegt und Fahrdraht gespannt sein.

Spätestens zum Fahrplanwechsel im Dezember soll dann die Linie U 15 nicht mehr am Kelterplatz in Zuffenhausen enden, sondern rund drei Kilometer weiter bis zum Endhalt in der Asperger Straße nach Stammheim rollen. Mit der Fertigstellung des vierten und fünften Bauabschnitts ist der Ausbau der U15 zur Stadtbahnlinie zwischen dem nördlichsten Stuttgarter Stadtbezirk und dem Fernsehturm/Ruhbank abgeschlossen.