Luca Steinert aus Hattenhofen wurde als Mädchen geboren und ist heute ein Mann. Sein langer Leidensweg endete in der Frauenklinik am Göppinger Alb-Fils-Klinikum.
„Körperlich geht es mir sehr gut. Ich fühle mich wohl“, sagt Luca Steinert. Mit der Seele sieht es etwas anders aus. Hier schwankt der Gemütszustand, räumt der 26-Jährige ein: „Ab und zu habe ich ein paar Downs. Da werde ich an meine Transition erinnert, aber ich mache das Beste draus.“ Luca Steinert aus Hattenhofen wurde als Mädchen geboren und ist heute ein Mann.
Er war ungefähr fünf Jahre alt, als er merkte, dass etwas nicht stimmte, etwas anders war. Die Tage im Kindergarten, damals in Mannheim, sind präsent, lassen sich nicht einfach so ausradieren. Da war Fasching, alle Mädchen waren im Kleid, er ging als Pirat. Oder er rasierte sich in der Kita komplett die Haare ab: „Ich wollte ein Zeichen setzen.“ Signale, die damals niemand verstanden habe. Im Kindergarten seien diese versteckten Hilferufe als Spinnerei abgetan worden.
Angeborener Herzfehler, alkoholkranke Eltern – und dann die Pubertät
Das Kind, das damals Saskja hieß, war immer irgendwie auffällig. Hatte mit einem angeborenen Herzfehler und alkoholkranken Eltern schon in jungen Jahren Probleme genug, kam zu Pflegeeltern. In der Schule wurde es nicht besser. Mit Beginn der Pubertät fingen die Schwierigkeiten dann so richtig an. Die damalige Saskja bekam ihre Periode, aufgeklärt hatte sie allerdings nie jemand. Ihre Brüste fingen an zu wachsen („zum Glück war da nicht viel da“), sie verweigerte den Schwimmunterricht. „Ich habe mich gefühlt, als wenn ich in einem Kostüm stecke und da nicht rauskomme“, erzählt Luca Steinert von damals.
Schlimm sei damals gewesen, dass er niemanden hatte, mit dem er reden konnte. Suizidgedanken quälten den Teenager, der mit 15 Jahren auch viel zu viel Alkohol trank. „Meine Pflegeeltern haben das als Phase abgetan“, blickt er zurück. Mit 16 sei er sich schließlich sicher gewesen, im falschen Körper geboren worden und eigentlich ein Mann zu sein. „Als Schutz habe ich mich als lesbisch geoutet, ich hatte auch Beziehungen mit Frauen.“
Einer, der den Hattenhofer auf dem Weg zum Mann begleitet hat, ist Professor Falk Thiel, Chefarzt der Frauenklinik am Göppinger Alb-Fils-Klinikum. Thiel hat Steinert operiert, ihm die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernt. „Das machen wir hier sehr selten“, sagt der Gynäkologe. Und wenn, dann meist von Frau zu Mann, „Männer, die zu Frauen werden wollen, werden primär hormonell behandelt“, erklärt der Experte. Dennoch kennt sich Thiel mit dem Thema bestens aus. Er hat 14 Jahre an der Uniklinik in Erlangen gearbeitet, hier gab es eine spezielle Sprechstunde zum Thema Transidentität.
Die OP als Schlusspunkt der Reise
Der Chefarzt sieht sich als Schlusspunkt dieser langen Reise: „Der Leidensweg ist ja schon lange beschritten worden. Die OP ist quasi das i-Tüpfelchen, aber für den Menschen natürlich sehr wichtig.“ Das bestätigt Luca Steinert: „Ich bin Herrn Thiel sehr dankbar, dass er mich operiert hat. Seit der OP ist die Behaarung am ganzen Körper mehr geworden.“
Der Eingriff war am 19. Februar 2024. „Von der OP her ist das dasselbe“, sagt der Frauenarzt, also es wird nichts anderes gemacht als bei Frauen, die sich aus medizinischen Gründen die inneren Geschlechtsorgane entfernen lassen. Was im Falle von Luca Steinert anders war: „Er war biologisch eine Frau, optisch aber ein Mann“, sagt Thiel. Weitere Besonderheit: Zu einer Frau auf seiner Station konnte er den Patienten nicht legen, es ging nur mit einem Einzelzimmer. Nach zwei, drei Tagen sei der Eingriff gut überstanden gewesen: „Die Patienten erholen sich davon sehr schnell.“
Der Mediziner habe keine Berührungsängste in diesem besonderen Fall gehabt: „Es gab ein spezielles Problem – und das haben wir gelöst.“ Im Vorfeld hätten bereits viele Experten eine psychologische und medizinische Betreuung geleistet, die in diesen Fällen sehr viel komplexer sei als die Operation an sich. Bei Brustentfernungen – unabhängig aus welchem Grund – werde in der Regel ein plastischer Chirurg hinzugezogen, „um ein kosmetisch gutes Ergebnis zu bekommen“.
Seine weibliche Stimme hat er schon vergessen
Die Brüste ließ sich Luca Steinert bereits im Februar 2021 in einer anderen Klinik entfernen. Die erste OP, die jedoch nicht das erhoffte Ergebnis brachte. „Die Klinik war spezialisiert auf Brustkrebs und hat nur eine Brust entfernt“, sagt Steinert leise. Eine Odyssee, ein weiterer Eingriff war notwendig. Hormone nimmt er bereits seit November 2020, die Testosterongabe wird ihn ein Leben lang begleiten, sie verändert die Stimme und den Körperbau.
Mit OPs sei nun Schluss, die äußeren Geschlechtsorgane werde er so lassen, wie sie sind, betont Luca Steinert. Zu hoch sei das Risiko, dass bei diesem aufwendigen Eingriff etwas schiefgeht, zumal er, was medizinische Rückschläge mit Not- und Korrektur-Eingriffen angeht, ein gebranntes Kind ist: „Für mich und meinen Mann ist es gut so, wie es ist.“ Äußerlich ist Luca Steinert ohnehin nicht anzusehen, dass er einmal eine Frau war. Der Bart wächst, die Stimme ist tief: „Ich kann mich an meine weibliche Stimme gar nicht mehr erinnern.“