Die Umnutzung des Metropols vom Kino zur Boulderhalle ist umstritten. Foto: /Ferdinando Iannone

Die Transformation der City ist nicht aufzuhalten. Der klassische Handel ist auf dem Rückzug, die Event- und Freizeitbranche drängt in die Stadt. Immobilienexperten sind sich einig: „Die Innenstadt wird diverser. Das durchmischte Quartier ist die Zukunft.“

Wohin entwickelt sich die Stadt? Vor allem die Innenstadt? Bei dem Versuch einer Prognose taucht immer wieder das böse Wort Verödung auf. Auch OB Frank Nopper nimmt dieses Szenario ernst. Aus gutem Grund hat er jüngst den dritten City-Gipfel veranstaltet. Dabei ging es unter anderem um Sicherheit und Sauberkeit. In den Denkschmieden der Universitäten und Immobilien-Entwickler geht es indes um ganz andere Themen. Ein Beispiel ist Professor Carlos Moreno, der an der Sorbonne lehrt und das Konzept der 15-Minuten-Stadt propagiert.

„Damit denke ich an eine Stadt, in der für jeden innerhalb von 15 Minuten alles zu erreichen ist, um nicht große Wege zurücklegen zu müssen, die das Leben zerstückeln“, sagt Moreno. Was er damit meint ist ein Ort, der mehrere Nutzungen erlaubt: „Wir wollen eine polyzentrische Stadt und meinen damit eine Stadt, in der die Zentren überall sind.“ Jedes Zentrum hat demnach für die Menschen einen Zugang zu Dienstleistungen, Handel, Nahversorgung, Gesundheit, Bildung, Kultur und Freizeit. „Das wird die wichtigste Transformation in Zukunft werden“, sagt Moreno. Wenn also Großstädte viele intakte Zentren mit einer hohen Vielfalt und Nutzungsdurchmischung haben, welche Rolle spielt dann eigentlich noch die klassische City. Aus Sicht des Immobilien-Experten von ColliersStuttgart, Frank Leukhardt, wird die Innenstadt ihre übergeordnete Bedeutung behalten. Aber sie wird sich im Sinne einer Nutzungsvielfalt verändern: „Die Innenstadt wird diverser.“ Sein Kollege von Jones Lang Lasalle (JLL), Georg Charlier nickt zustimmend: „Das durchmischte Quartier ist die Zukunft.“ Schon jetzt sei die Transformation sichtbar. Der mehrgeschossige Handel ist auf dem Rückzug, Büros, auch exklusives Wohnen auf dem Vormarsch.

„Es fehlt schlicht das Licht“

Das Beispiel Boulderhalle in der City zeige sehr gut, wohin der Trend gehe. Die Event- und Freizeitbranche ist auf dem Vormarsch. „Es ist nicht mehr angesagt, aus der Stadt wegen Sport rauszufahren“, sagt Leukhardts Kollegin Patricia Karwath. Zudem ließen manche Gebäude, wie auch das Metropol, kaum eine andere Nutzung zu: „Es fehlt schlicht das Licht.“ Der Bedarf für eine Umnutzung vieler Flächen sei jetzt schon da, wie das Beispiel der Immobilienfirma Colliers zeigt. Die Mitarbeiter üben in der Pause notgedrungen in ihren Büroräumen mit einer Lehrerin Yoga. Für Leukhardt ist es daher nur eine Frage der Zeit, dass sich solche oder ähnliche Angebote auf der Königstraße wiederfinden. „Wir werden dann die ersten sein, die dann dort hingehen“, sagt er.

Doch nach Lage der Dinge werden die Colliers-Mitarbeiter noch eine Weile im Büro Yoga üben. Denn die Bedingungen für eine Transformation im Sinne einer hohen Diversität sind in Stuttgart eher schlecht. Das liegt freilich auch an den Mietpreisen in der City. Die haben sich auf der Königstraße laut Leukhardt zwar in den vergangenen zehn Jahren halbiert, sind aber dennoch nur für Filialisten bezahlbar. Colliers Mitbewerber JLL hat erst im Januar dieses Jahres eine Preisliste veröffentlicht: Dabei liegen die Spitzenmiete in der Königstraße auf Höhe Commerzbank bei 260 Euro pro Quadratmeter. In der Stiftstraße muss man mit 185 Euro rechnen, in der Schulstraße mit 110 Euro und in der Marienstraße mit 90 Euro pro Quadratmeter.

„Ungesunde Quote“

Ein weiteres Transformationshindernis in Stuttgart ist aus Sicht von JLL die so genannte Verfügbarkeitsquote. „Sie ist mit zehn Prozent die niedrigste in der Rangliste der deutschen Großstädte“, stellt Georg Charlier fest, „und daher kann auch beim Flächenumsatz nichts passieren. Alles ist starr.“ Charlier nennt diese „ungesunde Quote“ das „Stuttgarter Dilemma“, das auch auf den Büromarkt zutreffe. Es gebe keine Auswahl und keinen Wettbewerb. Und damit auch kaum Veränderung. Zuletzt mahnt Charlier das an, was alle in der Immobilienbranche kritisieren: „Umnutzungen sind planungsrechtlich nicht ohne weiteres möglich und dauern zu lange.“ Hier müsse die Stadt enger mit den Entwicklern und Eigentümern zusammenarbeiten. „Viele Eigentümer tendieren dazu, aus Frust über die Bürokratie ihre Immobilie lieber leer stehen zu lassen“, berichtet Leukhardt. So sieht es auch Sven Hahn, der Citymanager: „Ich wünsche mir von der Verwaltung andere Ansätze.“

Die Transformation scheint indes nicht aufzuhalten zu sein. Online-Handel, die Strukturschwäche des Handels, Corona und eine verändertes Freizeitverhalten, das die gegensätzlichen Entwicklungen von Kino und Netflix dokumentiert, geben den Takt vor. Die Frage ist nur: Wie reagieren Politik und Verwaltung, um eine Verödung zu verhindern und den Veränderungsprozess positiv mitzugestalten. Die Antwort von Frank Leukhardt: „Wir müssen die Veränderung nutzen, um Vielfalt zu schaffen.“