Nach dem Rücktritt des Trainers Jos Luhukay muss VfB-Sportvorstand Jan Schindelmeiser schnell einen Nachfolger finden. Dabei stehen vor allem zwei Namen im Raum.
Stuttgart - Noch sind es 90 Minuten bis zum Beginn der Pressekonferenz, die für 13 Uhr an diesem Donnerstag im Clubhaus auf dem Wasen mit dem Trainer Jos Luhukay angesetzt ist. Dabei handelt es sich um ein Ritual, das sich beim VfB Stuttgart vor jedem Spiel in jeder Woche wiederholt. Zwei Tage vorher ist Pressekonferenz. Jetzt muss die Mannschaft am Samstag beim 1. FC Kaiserslautern antreten. Business as usual also?
Aus der VfB-Pressestelle verlautet um 11.30 Uhr jedenfalls, dass um 13 Uhr mit keinen besonderen Ereignissen zu rechnen sei. Vielmehr könne man sogar fest davon ausgehen, dass Luhukay überhaupt keinen Kommentar mehr zu den aktuellen Entwicklungen und speziell zu seinem gestörten Verhältnis zur Vereinsführung abgeben werde, da zu diesem Thema ja schon alles gesagt sei. Der VfB geht also von einem Burgfrieden aus, nachdem Luhukay zuletzt die Transferpolitik des Sportvorstands Jan Schindelmeiser mit den Verpflichtungen der drei jungen Spieler Carlos Mané (22), Takuma Asano (21) und Benjamin Pavard (20) kritisiert hatte.
Unser Liveticker zur Pressekonferenz mit Schindelmeiser zum Nachlesen.
Darauf meldete sich am Mittwoch der Stuttgarter Aufsichtsrat Wilfried Porth zu Wort – indem er erklärte, dass er das Vorgehen seines Trainers nicht billigt. Das ist auch der Stand am Donnerstag kurz vor zwölf. Kurz nach zwölf ist Luhukay jedoch nicht mehr im Amt. Um 13 Uhr gibt es keine Pressekonferenz. Das ist die mediale VfB-Begleitung an diesem turbulenten Tag.
Der verlorene Machtkampf
In Kaiserslautern wird das Team von dem bisherigen Assistencoach Olaf Janßen sowie den beiden im Nachwuchsbereich tätigen Trainern Andreas Hinkel und Heiko Gerber betreut. Luhukay hat spontan das Handtuch geworfen, weil ihm nach der Stellungnahme von Porth wohl über Nacht klar wurde, dass er den Machtkampf gegen Schindelmeister verloren hat. Auf eine Abfindung verzichtet er. Dadurch wurde der VfB erstens kalt erwischt, weil wohl keiner auf der Geschäftsstelle mit einem solch schnellen Schritt gerechnet hatte – und zweitens endete auf diese Weise eine Trainerära, die als eine der kürzesten in die Vereinsgeschichte des 1893 gegründeten Clubs eingehen wird. Luhukay stand nur fünf Pflichtspiele in der Verantwortung, vier in der zweiten Liga (zwei Siege, zwei Niederlagen) und noch eines im Pokal (ein Sieg).
Dabei hätte der VfB jedoch spätestens am Mittwoch ahnen können, dass die Pressekonferenz am Donnerstag unter Umständen nicht wie geplant stattfinden kann, weil der Abgang von Luhukay zumindest nicht ganz unwahrscheinlich ist. Denn der Trainer war unter ganz ähnlichen Begleiterscheinungen wie jetzt in Stuttgart schon zweimal aus dem Bauch heraus zurückgetreten – vor gut vier Jahren beim FC Augsburg und im August 2006 beim SC Paderborn. In Augsburg, wo Luhukay zuerst den Aufstieg in die Bundesliga und anschließend den Klassenverbleib geschafft hatte, kam es zum Zerwürfnis mit dem Präsidenten Walther Seinsch. Stein des Anstoßes waren wie aktuell beim VfB einige Kontroversen bei Personalentscheidungen. Da duldete Luhukay weder Einmischung noch Widerspruch. Das entspricht ohnehin seinem Selbstverständnis und war auch schon in Paderborn so, wo es zum offenen Streit mit dem Präsidenten Wilfried Finke gekommen war – ebenfalls in Transferfragen. Drei Tage vor dem Saisonauftakt verabschiedete sich Luhukay dort.
Ein Fan traf Jos Luhukay auf der Straße. Was der Ex-VfB-Trainer zu ihm sagte.
Der VfB hat nun auch seinen Seinsch und seinen Finke – sie heißen Porth beziehungsweise Schindelmeiser. „Die Arbeit funktioniert nur, wenn volle Rückendeckung von den wichtigen Personen besteht – und das habe ich nicht gespürt. Deshalb hat die Basis gefehlt“, lässt Luhukay zum Abschied über seinen Dortmunder Anwalt Markus Buchberger ausrichten.
Damit ist Schindelmeiser endgültig der starke Mann in der Fußballabteilung – und als solcher wird er sofort gefordert. Denn er muss in der Kürze der Zeit einen Nachfolger für Luhukay finden, der im Gegensatz zu dem alten Trainer bereit ist, seine Strategie mitzutragen. Dieser Ansatz sieht im Mai zwar auch den Aufstieg in die Bundesliga vor, doch daneben will Schindelmeiser den VfB fit für die weitere Zukunft machen. Das dürfte dann beispielsweise wieder in den Spielerkäufen während der Winterpause zum Ausdruck kommen. Schindelmeiser will vorzugsweise jüngere Leute einbauen und weniger auf Routiniers wie Marko Marin, Ronny oder Oliver Kragl setzen, die Luhukay im August gerne geholt hätte. Als das abgelehnt wurde, verkroch er sich in ein Schneckenhaus und signalisierte dem VfB, dass er eigentlich mit keinem im Club mehr so recht reden möchte: am allerwenigsten mit Schindelmeiser sowie dem Jugendchef Marc Kienle und dem Vorstandsberater Thomas Hitzlsperger.
Das Problem bei der Dauerlösung
Jetzt ist dieses vor vier Monaten mit so großen Hoffnungen gestartete Kapitel mit Luhukay und dem VfB vorbei – und Schindelmeiser muss einen neuen Abschnitt eröffnen. Janßen, Hinkel und Gerber seien reine Interimslösungen, sagt er. Bei der Suche nach der Dauerlösung steht Schindelmeiser vor dem Problem, dass angesichts der gerade erst aufgenommenen Saison noch kein anderer Profiverein seinen Trainer entlassen hat, was die Auswahl einschränkt. Dennoch gibt es verschiedene Möglichkeiten. Speziell denkt der VfB an Markus Gisdol und André Breitenreiter.
Beide waren nach der Entlassung von Jürgen Kramny im Frühling auch schon Kandidaten, ehe Luhukay den Zuschlag erhielt – und beide sind noch auf dem Markt und somit verfügbar. Besonders eng sind die Verbindungen zu Gisdol. Sein Engagement ist vor ein paar Monaten vor allem daran gescheitert, dass der damalige Manager Robin Dutt in dieser heißen Phase noch das Sagen hatte – er war kein Freund von Gisdol. Dafür gibt es Schnittpunkte zwischen Gisdol und Schindelmeiser. Beide waren von 2009 bis 2010 in Hoffenheim tätig.
P.S.: Wie die Sache ausgeht, wird der VfB dann wohl in einer seiner nächsten Pressekonferenzen verkünden.