Wer besetzt die Leerstelle auf der VfB-Trainerbank? Jürgen Kramny – oder ein anderer? Foto: dpa

Warum tut sich der VfB Stuttgart so schwer bei der Trainersuche? Wir haben bei DFB-Chefausbilder Frank Wormuth nachgefragt. „Es ist wichtig, dass ein Verein einen klaren Plan verfolgt“, sagt der 55-Jährige.

Hallo Herr Wormuth, der VfB Stuttgart tut sich schwer, einen neuen Coach zu finden. Täuscht der Eindruck, oder war die Trainersuche früher einfacher?
Wie kommen Sie darauf?
Weil der VfB in der Vergangenheit schon so manchen Trainer verschlissen hat und ein neuer meist schnell gefunden war. Nur dieses Mal nicht.
Haben Sie mal daran gedacht, dass dies vielleicht auch der speziellen Situation beim VfB geschuldet sein könnte?
Gut möglich. Aber der VfB ist ja nach wie vor eine attraktive Adresse. Und Fortuna Düsseldorf hat aktuell ähnliche Probleme.
Robin Dutt (VfB-Sportvorstand; d. Red.) wüsste Ihnen da sicher eine bessere Antwort auf Ihre Frage. Ich kann nicht beurteilen, zu welchen Trainern er Kontakt aufgenommen und wie viele Absagen er bereits kassiert hat. Ich glaube aber etwas anderes.
Nämlich?
Dass sich die Vereine bei der Auswahl ihrer wichtigsten Personalie im sportlichen Bereich mehr Gedanken machen als früher. Vielleicht ist auch die Qualität der Trainer höher, was wiederum die Auswahl erhöht und die Entscheidung erschwert.
Dann würden Sie mir auch bei der These widersprechen, dass das Trainerkarussell an Schwung verloren hat und die üblichen Verdächtigen im Moment rar gesät sind.
Sie müssen sich doch nur die Liste der Trainer ohne Job ansehen. Ganz spontan fallen mir Marco Kurz, Holger Stanislawski oder Thomas Schaaf ein, um nur einige wenige zu nennen. Der VfB Stuttgart tut sich wahrscheinlich – um mit Ihren Worten zu sprechen – deshalb so schwer, weil man als Tabellenletzter mit der Entscheidung für den nächsten Coach möglichst nicht daneben liegen sollte. Ja, vielleicht sind auch die Medien zu ungeduldig. (Lacht.)
Denken die Vereine vielleicht zu kompliziert? Das Modell Konzepttrainer ist in Stuttgart ja gerade grandios gescheitert.
Auch da möchte ich widersprechen! Es ist wichtig und richtig, dass ein Verein einen klaren Plan verfolgt und den Trainer danach aussucht. In aller Regel haben diese Clubs auch den größeren Erfolg. Und nebenbei: Es gibt keinen Trainer ohne Konzept. „Konzepttrainer“ ist auch so eine mediale Wortschöpfung.
Haben Sie dann eine Erklärung dafür, warum das Konzept des VfB mit Alexander Zorniger nicht aufgegangen ist?
Die Mannschaft hat kaum Punkte geholt.
Eine simple Erklärung.
Natürlich. Das Schlimmste ist, wenn du schlecht in die Saison startest. Der VfB hat ja super Spiele gemacht. Ich bin sicher, wären zu Beginn ein paar Siege geglückt, hätte die Sache einen anderen Verlauf genommen.
Aber so . . .
. . . verlierst du und bist beurlaubt. Ich sage immer im Spaß: Mit den runden Torpfosten ist eine andere Wahrscheinlichkeit ins Spiel eingekehrt. Ein bisschen mehr Drall – und der Ball kullert rein. Oder eben nicht.
Dann helfen einem als Coach die besten Noten nichts.
Noten sagen nicht unbedingt aus, ob du ein guter oder ein weniger guter Trainer bist. Die Prüfung zum Fußballlehrer ist nur eine Momentaufnahme. Wobei ich Alex Zorniger auf jeden Fall für einen sehr guten Trainer halte – trotz oder auch wegen seiner Abschlussnote (Jahrgangsbester 2012; d. Red.).
Zwischen Theorie und Praxis liegen oftmals Welten – in diesem Geschäft besonders?
Wenn Sie diese Frage auf die Trainerausbildung beziehen: Klares Nein! Wir versuchen an der Hennes-Weisweiler-Akademie den Trainerjob so real wie möglich abzubilden. Wir arbeiten zum Beispiel mit den Scoutingbildern der Bundesliga, Opta-Daten; unsere angehenden Fußballlehrer können virtuell eine Mannschaft übernehmen usw. Das Ganze ist sehr anwendungsorientiert.
Aber jede Situation lässt sich eben nicht simulieren.
Ganz wie im echten Leben. Am schwierigsten sind Drucksituationen zu simulieren. Du haust als Trainer einen Satz raus, der dir später um die Ohren fliegt. Darauf kann man die Absolventen nur bedingt vorbereiten, weil sie eine eigene Persönlichkeit haben und gewisse richtige Verhaltensweisen unter Druck vergessen.
Sind zehn Monate nicht sehr wenig für eine so komplexe Ausbildung?
Für das rein Fußballerische nicht. Hier gilt Learning by Doing. Im psychologischen Bereich könnte man dagegen fünf Jahre ausbilden. Oder besser noch: ein Leben lang. Idealerweise müsste man den Abgängern in ihrem ersten Profijob noch eine Zeit lang zur Seite stehen.
Eine Art begleitetes Fahren.
Wenn ich in Rente bin, mache ich das (lacht).
Wie viele Trainer bilden Sie aus?
24 Jahr pro Jahr.
Und wo landen diese später?
Ganz unterschiedlich. Viele im Jugendbereich beziehungsweise in den Nachwuchsleistungszentren. Manche schaffen direkt den Sprung ins Profigeschäft.
Wollen da überhaupt alle hin?
Schon. Aber die meisten sind auch realistisch genug zu wissen, dass die Cheftrainerposten von der ersten bis zur dritten Liga rar sind und es schwer ist, da reinzukommen. Da bedarf es zusätzlich eines guten Netzwerks.
Wie hat sich die Trainerausbildung in den vergangenen Jahren verändert?
Sie ist anwendungsorientierter geworden. Wir lassen unsere Kandidaten mehr selbst erarbeiten und präsentieren, getreu dem Motto: Wer lehrt, der lernt. Ständiger Frontalunterricht gehört der Vergangenheit an. Und wir versuchen verstärkt, reale Situationen zu simulieren. Dazu zählt zum Beispiel auch das Shadowing, wo ein Ausbilder dem Kandidaten auf dem Platz hinterherläuft und mit ihm zusammen ein Team führt. Alex Zorniger hat das übrigens nie benötigt. Der war schon während der Ausbildung voll in seinem Element.
Wie steht die deutsche Trainerschule im internationalen Vergleich da? Die Spanier halten inzwischen ja auch sehr viel auf sich.
Laut Aussage anderer Länder sind wir mit unserer Ausbildung top. Aber wir sind deutsch und entsprechend unserer Mentalität immer auf der Suche nach Steigerung, sprich besserer Ausbildung.
Zurück zum VfB: Verraten Sie uns die Abschlussnote von Jürgen Kramny?
Ich verrate grundsätzlich keine Noten.
Und Alexander Zorniger – wann kehrt er auf eine Trainerbank im Profifußball zurück?
Er bringt eine langjährige Erfahrung als Trainer mit, er war mit Leipzig erfolgreich, und er hat in Stuttgart eine klare Handschrift gezeigt: Diese drei Faktoren werden ausreichen, dass er bald wiederkommt.